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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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und von allen achtungsvoll begrüßt, die Straßen durchschritt, geschah es oft, daß ein hochgewachsener Mann in einem eisgrauen Ridingcoat, mit einem dicken Spazierstock und einem breitkrempigen Hut, sich jäh hinter ihm umdrehte, ihm mit den Augen folgte, bis er um eine Ecke gebogen war, die Arme verschränkte und mit der Unterlippe die Oberlippe fast bis zur Nase hochschob, als ob er sagen wollte: wer das nur sein mag! Den habe ich schon einmal in meinem Leben gesehen. Auf jeden Fall lasse ich mir von ihm nichts vormachen.
    Dieser Mann mit seinem fast drohend-ernsten Gesicht war einer von jenen, die selbst auf einen flüchtigen Blick hin auffallen.
    Er hieß Javert und war Polizist.
    In Montreuil sur Mer versah er den peinlichen, aber nützlichen Dienst eines Inspektors. Den Anfängen von Madeleines Aufstieghatte er nicht beigewohnt. Denn Javert verdankte seinen Posten der Protektion des Herrn Chabouillet, Sekretärs des Staatsministers Graf Anglês. Als Javert nach Montreuil sur Mer kam, hatte der Fabrikant bereits den Grundstein zu seinem Vermögen gelegt, und Vater Madeleine war schon Herr Madeleine geworden.
    Javert war im Gefängnis geboren; seine Mutter war eine Kartenlegerin, deren Gatte damals auf den Galeeren saß. Als er herangewachsen war, begriff er, daß er gewissermaßen außerhalb der menschlichen Gesellschaft stand und niemals in sie eindringen werde. Er gewahrte, daß die Gesellschaft zwei Klassen von Menschen streng von sich fernhält, nämlich ihre Feinde und ihre Verteidiger; zwischen diesen beiden Klassen hatte er die Wahl. Zugleich aber fühlte er in sich eine Neigung zu Strenge, Regelmäßigkeit und Rechtschaffenheit, die noch durch seinen Haß gegen das Zigeunergesindel bestärkt wurde, dem er entstammte. Also wurde er Polizist. Er hatte Erfolg, und mit vierzig Jahren war er Inspektor.
    In seiner Jugend hatte er in den Kerkern des Südens Dienst getan.
    Er hatte eine Stumpfnase mit zwei breiten Flügeln, zu denen die Spitzen seines gewaltigen Schnurrbarts aufstiegen. Wer zum erstenmal dieses Haargestrüpp und diese Nasenhöhlen sah, konnte sich eines unheimlichen Gefühls nicht erwehren. Wenn Javert lachte, was selten genug geschah und fürchterlich wirkte, lösten sich seine dünnen Lippen voneinander und ließen nicht nur die Zähne, sondern auch das Zahnfleisch sehen; sein Schädel war klein, das Kinn stark vorgebaut, die Haare wuchsen über die Stirn bis zu den Brauen herab.
    Den Charakter dieses Menschen bestimmten zwei höchst einfache und verhältnismäßig gute Empfindungen, die er indessen übertrieb und beinahe in schlechte verzerrte: Respekt vor der Obrigkeit und Haß gegen jede Rebellion. In seinen Augen war Diebstahl, Mord, jedes Verbrechen überhaupt nur eine Form der Rebellion. Wer indessen ein Staatsamt bekleidete, vom Premierminister bis zum Flurhüter herab, dem hing er in einer fast blinden, tiefen Verehrung an. Dagegen empfand er die tiefste Verachtung und Abneigung gegen jedermann, der auch nur ein einziges Mal die Schwelle des Erlaubten überschritten hatte. Das war für ihn eine Regel, die keine Ausnahmen zuließ. Sein erstes Dogma war: Der Beamte kann nicht irren. Die Behörde hat immer recht. Sein zweites: DieVerdorbenen sind unwiderruflich verloren. Von ihnen kann nichts Gutes mehr kommen.
    Kurz, er war ein Anhänger jener überspitzten Denker, die dem Menschengesetz die mystische Macht zuerkennen, etwas zu bewirken, was es doch nur festzustellen vermag. Er war Stoiker, düsterer Träumer, demütig und hochmütig zugleich, wie alle Fanatiker. Sein Blick war kalt und stechend wie ein Bohrer. Sein Leitspruch: Wachen, überwachen! Er war fest überzeugt von der Nützlichkeit seines Wirkens, von der religiösen Heiligkeit seiner Amtsverrichtungen, fühlte sich, obwohl er nur ein Spitzel war, als Priester. Wehe dem, der ihm in die Hände fiel! Er hätte seinen Vater verhaftet, wenn er ihn auf der Flucht von den Galeeren ertappt, seine Mutter verraten, wenn er sie dabei erwischt hätte, wie sie sich der Polizeikontrolle zu entziehen suchte. Und er hätte es getan mit jener inneren Befriedigung, die nur die Tugend verleiht. Und dabei war er ein Mann, der seine Pflicht blutig ernst nahm, ein Mann der Selbstbescheidung, Selbstverleugnung, Zucht und Strenge. Die Fleisch gewordene Pflichterfüllung, Polizei, wie die Spartaner sie sich gedacht hatten.
    In seinen seltenen Mußestunden las er, obwohl er nicht gerade ein Freund der Bücher war; so kam es, daß er nicht jeglicher

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