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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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entschlüpfte jedem Hieb des erfahrenen Fechtmeisters, und er konnte sie nicht erwischen. Er schlug dabei Türen, Shojis, Karakamis u. a. entzwei. Aber die Ratte huschte durch die Luft – schnell wie ein fahrender Blitz, entging jeder seiner Bewegungen und sprang ihm ins Gesicht und biß ihn. In Schweiß gebadet rief er schließlich seinem Diener zu: »Man sagt, sechs bis sieben Cho von hier sei eine Katze, die die tüchtigste in der Welt sei. Geh und hole sie her.« Der Diener brachte die Katze. Sie schien sich nicht viel von den anderen Katzen zu unterscheiden, sah weder besonders klug, noch besonders scharf aus. So traute der Fechtmeister ihr auch nichts Besonderes zu, aber er machte die Tür etwas auf und ließ sie hinein. Ganz ruhig und langsam ging die Katze hinein, so als erwarte sie gar nichts Besonderes. Aber die Ratte fuhr zusammen und rührte sich nicht. Und die Katze ging ganz einfach und langsam auf sie zu und brachte sie im Maul heraus.
    Am Abend versammelten sich in Shokens Haus die geschlagenen Katzen, baten respektvoll die alte Katze auf den Ehrensitz, knieten vor ihr nieder und sagten bescheiden: »Wir alle gelten als tüchtig. Wir alle haben uns auf diesem Wege geübt und uns die Klauen geschärft, um damit jede Art von Ratten, ja sogar Wiesel und Ottern besiegen zu können. Wir hätten niemals gedacht, daß es eine so starke Ratte geben könnte. Aber mit was für einer Kunst habt Ihr sie so leicht besiegt? Machet doch kein Geheimnis aus Eurer Kunst und erzählt uns doch Euer Geheimnis!« Da lachte die Alte und sprach: »Ihr jungen Katzen, ihr seid zwar ganz tüchtig. Aber ihr wißt im rechten Weg nicht Bescheid. So verfehlt ihr, wenn etwas Unerahntes euch begegnet, den Erfolg. Doch erzählt erst ihr mir, wie ihr euch geübt habt.«
    Da rückte eine schwarze Katze heran und sagte: »Ich stamme aus einem Haus, das für den Rattenfang berühmt ist. So entschloß auch ich mich zu diesem Weg. Ich kann Wandschirme von zwei Meter Höhe überspringen. Ich kann mich durch ein winziges Loch zwängen, durch das sonst nur eine Ratte durchkommt. Von Kind auf habe ich alle akrobatischen Künste geübt. Auch wenn ich beim Aufwachen aus dem Schlaf noch nicht ganz da bin, eben dabei, mich wiederzufinden und sehe da eine Ratte über den Balken laufen – schon habe ich sie. Die Ratte von heute aber war stärker und ich habe die furchtbarste Niederlage erfahren, die ich in meinem Leben jemals zu erleiden gehabt. Ich bin beschämt.«
    Da sagte die Alte: »Worin du dich da geübt hast, ist eben nichts als nur Technik! (shosa – die reine physische Kunst.) Dein Geist ist aber besetzt mit der Frage: Wie gewinnen? So haftest du ja noch am Zielen! Wenn die Alten ›Technik‹ lehrten, so taten sie es, um damit eine Weise des Weges (michisuji) zu zeigen. Ihre Technik war einfach, beschloß jedoch die höchste Wahrheit in sich. Die Nachwelt aber beschäftigt sich nur noch mit Technik. Dabei erfand man zwar vieles, so nach dem Rezept ›Wenn man dies und das übt, dann kommt dies und jenes dabei heraus.‹ Was aber kommt dabei heraus? Nichts als eine Geschicklichkeit. Unter Preisgabe des überlieferten Weges entstand so unter Aufbietung von viel Klugheit der Wettbewerb in Technik bis zur Erschöpfung, und nun kommt man nicht weiter. Das ist immer so, wenn man an Technik und Erfolg denkt und dabei ausschließlich die Klugheit betätigt. Zwar ist die Klugheit eine Funktion des Geistes, wenn sie aber nicht auf dem Weg fußt und allein auf Geschicklichkeit abzielt, dann wird sie zum Ansatz von Falschem und das Errungene zum Übel. Also geh in dich und übe von nun an im rechten Sinn weiter.«
    Darauf rückte eine große Katze mit einem Tigerfell heran und sprach: »In der Ritterkunst kommt es, so meine ich, nur auf den Geist an. So habe ich mich daher seit jeher in dieser Kraft geübt (ki wo neru). So ist mir, als sei mein Geist ›stahlhart‹ und frei und geladen vor dem Geist, der Himmel und Erde erfüllt ( Menzius ). Sehe ich den Feind, schon schlägt dieser allgewaltige Geist ihn in Bann und ich gewinne den Sieg schon im voraus. Erst dann gehe ich vor! Ganz unbewußt, so wie es die Lage erfordert. Ich richte mich nach dem ›Klang‹ meines Gegners, banne die Ratte, wie es mir beliebt, nach links oder nach rechts und komme jeder Wendung entgegen. Um die Technik als solche kümmere ich mich überhaupt nicht. Die kommt von selber. Eine Ratte, die über den Balken läuft, starre ich nur an, und schon fällt sie herunter und

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