Lesebuch für Katzenfreunde
davon trüge, es ist nur ein blinder Sieg, der nichts mit dem Sinn der wahren Fechtkunst zu tun hat.
Frei sein von allen Dingen bedeutet nun nicht eine leere Leere. Das Wesen als solches hat keine Eigennatur. Es ist an und für sich jenseits von allen Formen. Es speichert auch nichts in sich auf. Wenn man aber, was es auch sei, und wie geringfügig es sei, auch nur flüchtig fixiert und festhält – die große Kraft bleibt daran kleben und das aus dem Ursprung fließende Gleichgewicht der Kräfte ist dahin. Wird das Wesen auch nur ein wenig durch etwas verhaftet, ist es in seiner Bewegung nicht mehr frei und strömt nicht mehr ungestört in seiner Fülle hervor. Ist das Gleichgewicht aus dem Wesen gestört, dann fließt seine Kraft, wo sie dennoch hinkommt, schnell über; wo sie aber nicht hinkommt, reicht es nicht aus. Wo sie überfließt, bricht gleich zuviel hervor und es gibt kein Aufhalten mehr. Wo sie nicht hinreicht, ist der wirkende Geist geschwächt und versagt und kann sich hier wie dort, wenn es darauf ankommt, nicht der Lage entsprechend bewähren. Was ich Freiheit von den Dingen nenne, bedeutet also nichts anderes als dies: Speichert man nichts auf, lehnt man sich an nichts an, stellt man nichts fest, dann ist kein Stand und kein Gegen-Stand da. Weder ein Ich noch ein Gegen-Ich. Wenn dann etwas daher kommt, so begegnet man ihm wie unbewußt und hinterläßt keine Spur. Im › Eki ‹ (Buch der Wandlungen) heißt es: ›Ohne Denken, ohne Tun, ohne Bewegung, ganz still: nur so kann man das Wesen und das Gesetz der Dinge von innen her und ganz unbewußt bekunden und endlich eins werden mit Himmel und Erde.‹ Wer die Fechtkunst so ausübt und sie so versteht, der ist der Wahrheit des Weges nahe.«
Shoken, als er dies hörte, fragte nun: »Was soll das bedeuten, daß weder ein Ich noch ein Gegen-Ich, weder ein Subjekt noch ein Objekt, da ist?« Die Antwort der Katze: »Wenn und weil ein Ich da ist, ist auch ein Feind da. Stellen wir uns nicht als ein Ich hin, so ist auch kein Gegner da. Was wir also so nennen, ist nur ein anderer Name für das, was Gegensatz bedeutet. Insofern die Dinge eine Form wahren, setzen sie auch immer eine Gegenform. Wo immer etwas als ein Etwas feststeht, hat es aber eine Eigenform. Ist mein Wesen zu keiner Eigenform verfaßt, so ist auch keine Gegenform da. Wo kein Gegensatz ist, gibt es auch nichts, was gegen einen antritt. Das aber heißt: Weder ein Ich noch ein Gegen-Ich ist da. Läßt man sich selbst ganz fallen und wird also frei, von Grund auf und von allen Dingen, so befindet man sich im Einklang mit der Welt, ist eins mit allen Dingen in der großen All-Einheit. Auch wenn des Feindes Form ausgelöscht wird, es wird einem gar nicht bewußt. Nein, nicht daß man sich dessen überhaupt nicht inne würde, aber man verweilt nicht dabei und der Geist bewegt sich weiterhin frei von aller Fixierung und antwortet auch im Handeln einfach und frei aus der Mitte des Wesens.
Ist der Geist von gar nichts mehr eingenommen und frei von aller Besetztheit, so ist auch die Welt, so wie sie ist, ganz unsere Welt und mit uns eins. Dies bedeutet, man nimmt sie nun jenseits von Gut und Böse, jenseits von Sympathie oder Antipathie. Man ist in nichts mehr befangen und bleibt auch an nichts in ihr haften. Alle Gegensätze, die wir vor uns haben, Gewinn und Verlust, Gut und Böse, Freud und Leid, kommen aus uns. In der ganzen Weite von Himmel und Erde ist für uns darum nichts so erkennenswert, als nur unser eigenes Wesen. Ein alter Dichter spricht: ›Ein Körnchen Staub im Auge und die drei Welten sind noch zu eng. Ist uns an nichts mehr gelegen, so ist das kleinste Bett immer noch weit.‹ Das heißt: Dringt ein Körnchen Staub uns ins Auge, so kann es sich nicht mehr auftun. Denn es dringt etwas dort hinein, wo es helle Sicht nur dann gibt, wenn nichts darin steckt. Dies mag uns zum Gleichnis dienen für das Sein, das leuchtend erleuchtendes Licht ist und in sich selbst ledig von allem, was ›etwas‹ ist. Wenn sich aber etwas davor stellt, vernichtet die Vor-Stellung seine Tugend. Ein anderer Dichter sprach so: ›Ist man von Feinden umstellt, hunderttausend an der Zahl, so wird zermalmt, was man selber an Form ist. Aber das Wesen ist und bleibt mein, so stark der Feind auch sein mag. In dieses kommt kein Feind je herein.‹ Konfuzius sagt: ›Auch eines einfachen Mannes Wesen kann man nicht stehlen.‹ Gerät aber der Geist durcheinander, dann wendet sich das Wesen gegen uns
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