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Lesereise Friaul und Triest

Lesereise Friaul und Triest

Titel: Lesereise Friaul und Triest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schaber
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kaiserliche Badezimmer: Majestät leidet unter einem Waschzwang. Gleichzeitig zwingt er immer mehr Soldaten in den Krieg. Die Kampfmoral sinkt, Desertionen werden immer häufiger. Entsprechend hart sucht man durchzugreifen: Die Gerichtsbarkeit der k. u. k. Armee sollte später der deutschen Wehrmacht als Vorbild dienen.
    Im Oktober 1917 setzt sich Kaiser Karl dann kurzerhand über das Völkerrecht hinweg. Er sanktioniert den Einsatz einer neuen Wunderwaffe: Am 24. Oktober 1917 um zwei Uhr nachts beginnt die zwölfte und letzte Isonzo-Schlacht mit dem Befehl, mit Phosgen und Di-Phosgen gefüllte Granaten abzufeuern. Das Tal verschwindet unter einem Nebel von Giftgas. In den Morgenstunden rückt die Infanterie nach, doch da ist die Schlacht längst geschlagen. Als Wunder von Karfreit, benannt nach einem kleinen Ort an der So č a, geht der österreichische Sieg in die Militärgeschichte ein. In den darauffolgenden Wochen durchquert das k. u. k. Heer das Friaul und stößt bis zur Piave vor, wo die Kämpfe ihre Fortsetzung finden.
    Krieg auf Schritt und Tritt, so ist es bis heute geblieben. Zahlreiche Gedenkstätten, Museen und Friedhöfe lassen den Landstrich entlang des Isonzo zu einem großen Memorial-Park erstarren. Das kolossalste Monument ist das Sacrario in Redipuglia, unter Mussolini erbaut und im Namen des Faschismus als heroischer Heldengedenkplatz inszeniert. Als der Duce 1936 die Wiederherstellung des Imperium Romanum proklamiert, ordnete er die Errichtung von vierzig Heiligtümern an, die den Soldaten verewigen, ja mehr noch: verherrlichen sollen. »Ein Volk, das seine Gefallenen vergöttlicht, kann nicht geschlagen werden«, so der lauthals verkündete Leitspruch Mussolinis.
    Da er selbst im September 1915 an die Isonzofront abkommandiert worden ist, liegt ihm viel daran, den Krieg in jenem Zipfel Italiens besonders zu feiern. »Der Isonzo! Nie sah ich ein tieferes Blau eines Flusses!«, ist in seinem Kriegstagebuch zu lesen. »Sonderbar! Ich neige mich zum eisigen Wasser hinab und habe mit Andacht davon getrunken.« Andacht – das ist vielleicht das Wort, zusammen mit Begriffen wie Ehre, Treue und Vaterland zur Schau gestellt in einem monströsen Kriegerdenkmal, dem größten Italiens. Die Überreste von hunderttausend Soldaten ruhen in einer Anlage, die ihresgleichen sucht. Giovanni Greppi und Giannino Castiglioni haben sie entworfen und jedes Detail in den Dienst einer mörderischen Ideologie gestellt.
    Eine schwere eiserne Kette, einstmals Teil des Tornadobootes Grado, markiert den Eingang zur Gedenkstätte. Gleich dahinter erstreckt sich ein leicht ansteigender Platz, gepflastert mit Steinen aus dem Karst und durchschnitten von der Via Eroica. Drei gewaltige Tumben fesseln den Blick, die Grabmäler der wichtigsten Kommandanten. Daran anschließend eine steinerne Treppe, die in breiten Stufen nach oben zieht und am Gipfel des Monte Sei Busi endet, einem der am härtesten umkämpften Berge des Karsts. Auf jeder Stufe eine Vielzahl kleiner Tafeln mit den alphabetisch aufgelisteten Namen der Gefallenen. Die Treppen laufen auf drei massive Kreuze zu, dahinter ist nur mehr Himmel zu sehen. Eine gigantische und gigantisch schreckliche Inszenierung, pompös, Furcht einflößend, selbstbewusst.
    Ein Bild wie vom Aufmarsch einer riesigen Truppenformation. Über den Namensreihen das Wort »Presente«, »Hier!«, wieder und wieder in den Stein gehauen. Alle sind angetreten, keiner ist vergessen, keiner entkommt der Berufung. Presente: Die Losung des Faschismus. Ursprünglich eine Idee von Gabriele D’Annunzio: Einer steht für den anderen ein, niemand drückt sich vor der Verantwortung.
    Ein Monument macht sprachlos, weil seine Sprache so laut und gellend ist. Es feiert den Soldaten und lässt dessen Leid unter dem Beton verschwinden. Der Krieg gerinnt zur fast schon aseptisch anmutenden Heldensaga. Nichts mehr zu spüren von dem mit Leichenteilen durchsetzten Morast, dem Durst, dem Wahnsinn. Alles begraben. Doch nicht alle Soldaten sind zum Schweigen zu bringen.
    Im Hinterhalt
    in diesen Eingeweiden
    von Trümmern
    habe Stunden um Stunden
    ich dahingeschleppt
    mein Gerippe
    abgenutzt vom Schlamm
    wie eine Sohle
    oder wie ein
    Weißdornsame …
    So Giuseppe Ungaretti, der selbst am Isonzo stationiert war.
    Ungaretti
    Schmerzensmann
    dir genügt eine Illusion
    um dir Mut zu machen
    Ein Scheinwerfer
    von dort
    legt ein Meer
    in den Nebel
    Karl I. sei ein friedfertiger Kaiser gewesen, beteuern seine Anhänger im

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