Lesereise Friaul und Triest
verweist neben Trattorien auch auf die osmizas , wo man den lokalen Wein verkosten kann. »Osma« heißt auf Slowenisch acht, und acht Tage im Jahr durften die Bauern der Gegend ihren Wein ausschenken, so das Gesetz aus dem Jahre 1784. Es stammte von Joseph II . und seinem in Wien erlassenen Dekret, das in ähnlicher Weise für die dortigen Heurigen galt. Eine Zirkularverordnung, mit der »jedermann die Erlaubnis zuteil wurde, selbst hergestellte Lebensmittel, Wein und Obstmost zu verkaufen und auszuschenken«. So ist es bis heute geblieben.
Die Dörfer im Karst sind Festungen. Nach außen hin geben sie sich verschlossen, feste Steinmauern schützen Häuser und Ställe. Man weiß sich zu rüsten gegen Eindringlinge. Deren gefährlichster ist die Bora, ein trockener, böiger Fallwind, der, wie der Dichter Sre č ko Kosovel schreibt, »die Bäume entwurzelt, die Schiffe versinken lässt, und Rastlosigkeit in die Seelen der Menschen bringt«. Mit bis zu hundertachtzig Stundenkilometern rast die Bora über den Karst, manchmal nur einen Tag lang, im Winter aber auch bis zu zwei Wochen. Sie wirft sich wütend über die Hänge, verkrüppelt Bäume und Büsche, reißt Steine von den Dächern. Kaum jemand, der sich davor nicht fürchtet: Die Bora hat kriegerische Gefechte zum Erliegen gebracht und den Fuhrverkehr gelähmt, sie hat viele Tote auf dem Gewissen.
Doch sie nützt auch jenen – vielfach slowenischen – Bauern, die den pršut herstellen, den luftgetrockneten Schinken. Sein Geschmack ist wilder und rauer als der seines Bruders aus dem berühmten San Daniele. Im Karst ist eben manches anders: Die Schweine sind weniger fett, sie weiden auf kargem Boden. Doch in ihrem Fleisch stecken die Aromen der Karstwiesen, Rosmarin, Salbei, Melisse, auch Minze. Das schmecke man, behaupten die Aficionados. Die Schweine schlachtet man, wenn sie anderthalb bis zwei Jahre alt sind. Ihr Fleisch wird eingesalzen und gelagert und später in den offenen Dachboden gehängt, wo es trocknet. Dann soll er ruhig kommen, der Wind. Dem pršut tut er gut.
Der Karstschinken wird überall dort angeboten, wo ein vor dem Haus ausgehängter Efeubusch eine osmiza anzeigt. Ob in Prepotto, Sgonico oder Colludrozza: Hölzerne Tore sind weit offen, hinter den Steinmauern stehen Tische und Bänke im Freien oder in einfachen Schankräumen. Auf Schiefertafeln präsentiert sich das Essen: prosciutto , Käse, Oliven, manchmal noch eine pancetta , ein paar harte Eier oder ein gekochter Schinken mit Kren. Und wenn es hoch hergeht vielleicht noch eine putizza mit Nussfülle oder ein struccolo de pomi , ein Apfelstrudel. Dazu der Terrano, manchmal sogar der Blick aufs Meer. Braucht’s noch mehr?
Wer im Karst lebt, bleibt in ihm gefangen. Viele gehen weg und kommen doch wieder heim. Als ob sie die Steine immer wieder zurückrufen würden. »Jeder Felsen, jeder Baum, jeder Strauch, jede/ Straße,/ ein jedes birgt seine Erzählung«, heißt es bei Sre č ko Kosovel. »Und der Felsen erzählt dir seine Geschichte, eine/ Geschichte über das Leben. Einerlei, ob dieses/ Leben/ ein bitteres und einsames war; es war.«
Presente, presente, presente
Heldendämmerung am Isonzo
Cormòns hat etwas zu feiern. Die ganze Stadt ist voller Plakate, kleinen, gelben Affichen. Die »Kaiser Karl Gebetsliga für den Weltfrieden« lädt ein: »Riccorrendo al secondo anniversario della beatificazione dell’ imperatore Carlo d’Austria.« Zwei Jahre ist es her, seit Kaiser Karl I., der letzte Herrscher des Hauses Habsburg, am 21. Oktober 2004 in Rom selig gesprochen wurde. Dieses Ereignisses gilt es zu gedenken, mit einer Messe in der Chiesa di Rosa Mistica, an der auch die Cappella San Carlo di Gorizia teilnimmt.
Cormòns scheint immer noch kaisertreu – und Görz, das heutige Gorizia, natürlich auch. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war die Provinz Gorizia Teil des k. u. k Weltreichs. Daran hält man ein klein wenig fest. Jedes Jahr wird in Giassico bei Cormòns das Kaiserfest zelebriert, immer am 18. August, dem Geburtstag des legendären Kaiser Franz Joseph. Kaum eine Buchhandlung ohne monarchistische Memorabilien, kaum ein Hotel, das nicht seinen Habsburger-Erinnerungswinkel eingerichtet hat. Von Miramare ganz zu schweigen: Hierher pilgern jene, die des unseligen Erzherzogs Maximilian gedenken und sein Lustschloss in der Bucht von Grignano nahe Triest bewundern: Maximilian, der kleine Bruder von Franz Joseph I., wurde 1864 gegen den Willen des Volkes zum Kaiser von
Weitere Kostenlose Bücher