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Lesereise Friaul und Triest

Lesereise Friaul und Triest

Titel: Lesereise Friaul und Triest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schaber
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Höhle. Antonio Federico Lindner hatte die Höhle auf einem seiner Streifzüge entdeckt. Bald schon tummelten sich hier die Speläologen und selbst ernannten Höhlenforscher. Schon 1908 wurde die Grotta Gigante für Besucher freigegeben. Sie ist bis heute eine der touristischen Attraktionen dieser Gegend geblieben.
    Eine Treppe führt nach unten, dann fällt die Eisentür ins Schloss. Ein schmaler Weg zieht ins Innere der Grotte, schwach beleuchtet und feucht. An den Wänden leeres Gestein, keine Blume, keine Flechte zu sehen. Und dann, kurz nach dem Mundloch, beginnt das Spektakel: Scheinwerfer gehen an. Eine Tropfsteinhöhle breitet sich aus, riesig groß, gut hundertsechzig Meter lang, über hundert Meter hoch und fünfundsechzig Meter breit. Das Auge kommt an kein Ende. Verkehrte Welt: Draußen im Tageslicht gibt sich die Natur zurückhaltend und spröd, um sich unter der Erdoberfläche in all ihrer verschwenderischen Pracht zur Schau zu stellen. Stalagmiten und Stalaktiten erschaffen immer neue Formen, finden sich zu Gruppen zusammen oder stehen für sich. Stelen streben in bizarren Auswüchsen nach oben, keine gleicht der anderen.
    Dazwischen die Spuren von Bergstürzen und Einbrüchen, und wieder neue Tropfsteine, in allen Rosa-, Weiß- und Schwarztönen schillernd. Die Augen verirren sich zwischen den Gebilden, die Fantasie bekommt Beine. Wer tanzt da im Palast der Elfen? Tiere lugen um die Ecke. Ein Delfin taucht durch die Höhle, ein Adler breitet seine Schwingen aus, ein Kamel reckt seinen Kopf. Ein kleiner Buddha ruft alle zur Ruhe.
    Zwei Pendel in der Mitte der Grotte holen die Besucher auf den Höhlenboden zurück. Das Institut für Geodäsie und Geophysik der Universität Triest hat hier eine Messstation installiert, um die Bewegungen der Erde und der Erdkruste zu überwachen. Der hohen Wölbung der Grotte verdankt sich eine spezielle Technik. Zwei überdimensionierte Pendel sind in der Lage, Veränderungen anzuzeigen, die mit Laborinstrumenten meist nicht erfasst werden können. Sie reagieren auf das Gewicht der Schneedecke in den Alpen, auf die unterirdischen Wasserströmungen innerhalb der Karstmasse oder auf die Gezeiten: Die Flut lässt Gebirge steigen und bewegt den Karst, unmerklich, aber doch.
    Nachzuweisen sind auch Bewegungen in der Erdkruste. Das friulanische Erdbeben des Jahres 1976, eines der schlimmsten seit Menschengedenken, hatte sich hier, in der Grotta Gigante, angekündigt: Man wusste schon Wochen vor dem eigentlichen Ereignis von der Gefahr, allein das genaue Datum ließ sich nur vage voraussagen. Was hätte man also tun sollen, so die Frage der Wissenschaft: Das gesamte Friaul für Monate evakuieren?
    Die Höhlenromantik zerplatzt. Wer in die Sonne zurückkommt, blinzelt. Die Grotta Gigante liegt im Herzen des Carso Triestino. Eine Vielzahl kleiner Dörfer, manche nur ein paar Häuser groß, durchbrechen das Land. Die Farben des Herbstes blenden, ein pralles Rot, Gelb und Orange, alle Grün- und Grautöne. Ein Dickicht von Büschen und schmalwüchsigen Bäumen, ein paar Kiefern und Steineichen, manchmal nur Macchia und ein paar steppenartige Wiesen mit Felsbrocken und Steinen. Flechten kriechen den Boden entlang, Hauswurz nistet im Fels. Eine alpin anmutende Landschaft, unwirklich nahe am Meer. Luchse, Dachse und Füchse, manchmal sogar Bären und Wölfe haben hier ein Reservat, dazu seltene Vogelarten wie Wanderfalke, Uhu und Kauz. Wildnis überwuchert die Geschichte. Im Karst wurde während des Ersten Weltkriegs erbittert gekämpft, in harten Wintern, Kälte und Sturm. Wer genau hinsieht, entdeckt die Reste von Schützengräben und Bunkern.
    Seen, wie etwa der Lago di Doberdò oder der Zirknitzer See kommen und gehen, je nach Jahreszeit und Witterung. Wo die Bauern im Sommer die Wiesen mähen, sieht man sie im Frühjahr beim Angeln. Felder, dem Felsen abgerungen und mit Steinmauern vor dem Wind geschützt, sind selten, nur ein paar Äcker mit Kartoffeln, Gerste und Mais. Viel Brachland, dazwischen Weinberge, in Trockentälern und auf Terrassen angelegt. Aus der Refosco-Traube gewinnt man den Terrano, einen dunkelroten, fast schon schwarzen, erdig schmeckenden Roten. Wer den Weißen bevorzugt, hält sich an Vitovska und Glera, frische, mineralisch schmeckende Weine mit feiner Säure. Einfache, aber eigenwillige Weine, die sich nach und nach ihre Wege in die Enotheken und Restaurants der umliegenden Städte bahnen.
    Die Strada del Vino Terrano führt von Opicina nach Visogliano und

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