Lesereise Friaul und Triest
Mexiko gekrönt, doch schon wenig später, im Juni 1867, entmachtet und standrechtlich erschossen.
Auch Kaiser Karl I., dem Großneffen von Kaiser Franz Joseph und nach dessen Tod auch sein Nachfolger, war das Glück nicht hold: Als die k. u. k. Monarchie im November 1918 vollends zusammenbrach, verzichtete er auf »jeden Anteil an den Regierungsgeschäften«. Einer wirklichen Abdankung wollte er nicht zustimmen und auch die Republik Österreich nicht anerkennen. Im März 1919 hat man ihn ins Schweizer Exil beordert. Von dort aus versuchte er zweimal, die Macht zurückzugewinnen. Vergeblich. Er und seine Familie wurden nach Madeira verbannt. Karl I. starb 1922 an einer Lungenentzündung, erst fünfunddreißig Jahre alt. Ein Märtyrer? Die Meinungen darüber klaffen weit auseinander. Er sei ein brutaler Militarist gewesen, der die Zeichen der Zeit nicht zu deuten wusste, wird ihm vorgeworfen. Alles nicht wahr, kontern seine Anhänger, im Gegenteil: Man könne Karl geradezu als Pazifisten bezeichnen. Im Friaul gibt es darüber keine Diskussionen: Die Monarchisten aus Cormòns, Görz und Gradisca d’Isonzo gehen vor ihrem Carlo d’Austria liebevoll in die Knie.
Das Erbe der Habsburger ist in diesem Teil des Friaul immer noch präsent – und mit ihm die Erinnerung an die Isonzo-Schlachten. Benannt nach dem Fluss Isonzo, wie die slowenische So č a auf italienischer Seite heißt, gehören die zwölf Gefechte im Karst zu den absurdesten und traurigsten Kapiteln des Ersten Weltkriegs: Der Versuch der Italiener, Görz, Triest und das Doberdò-Plateau zu erobern und nach Laibach vorzustoßen, mündete in eine Materialschlacht, die Hunderttausende Menschen das Leben kostete.
Als Italien, das mit den Mächten der Entente einen geheimen Vertrag unterzeichnet hatte, Österreich-Ungarn am 23. Mai 1915 den Krieg erklärt, entsteht binnen weniger Tage eine neue, fünfhundert Kilometer lange Frontlinie. Sie zieht sich vom Stilfser Joch über das Ortlergebiet, die Dolomiten und den Karnischen Kamm bis zur Adria westlich von Triest. Vier Wochen später eröffnen die Italiener die erste Schlacht am Isonzo. Wiewohl das Kräfteverhältnis mit drei zu eins gegen die Österreicher spricht und die Italiener immer neue Bataillone und Schwadrone ins Friaul befehligen, um den Gegner zum Rückzug zu zwingen, bewegt sich die Front in den folgenden beiden Jahren nur wenig.
Der Karst zeigt sich in jenen Kriegszeiten in all seiner Härte, mit Hitze und Trockenheit im Sommer und bitterer Kälte und Stürmen im Winter. »Alle Sprachen der Welt können das Scheußliche nicht schildern«, weiß der k. u. k. Soldat und Kammersänger Julius Pölzer zu berichten. »Obgleich der Boden felsig war, lag drinnen eine äußerst zähe und schmierige, braunrote Lehmschicht, welche der fortwährende Gussregen aus den Gesteinsfalten zusammengeschwemmt hatte. In dem Granattrichter stand dieser scheußliche, mit Leichenteilen wie Handfleischfetzen, Därmen, Schädeln, Rippen und halb verwesten Menschenfleischstücken untermischte Morast oft mannstief. Darin schwammen aufgedunsene Leichen herum, deren Fleisch schon in verfaulten Fetzen von den Schädelknochen fiel.«
Nördlich von Görz treffen Österreich und Italien im Gebirgskrieg aufeinander. Gräben und Kavernen werden in den Fels gehauen, in denen sich die Soldaten auf engstem Raum verschanzen. Lawinen fordern Todesopfer, das steile Gelände macht die Kämpfe zur Tortur. »Die vorderen Reihen«, so ein Augenzeuge, »wurden von den Maschinengewehren niedergemäht, rissen die nachfolgenden mit, die sich in den engen Heuwiesen kaum auf allen vieren halten konnten, sodass diese ganze Menschenmasse ins Tal rollte.« Zivilisten werden in die Gefechte verwickelt und umgebracht. Die Täler von So č a und Isonzo sind verwüstet, Dörfer in Brand gesetzt und zerstört. Die Bevölkerung flüchtet.
So sehr der Krieg auch wütet: Der Landgewinn bleibt über die Jahre hinweg klein. Im Sommer 1916 erobern die Italiener Görz, das Nizza der k. u. k. Monarchie, wie es Sigmund Freud einmal genannt hat. Ansonsten geben die Österreicher kaum Terrain frei. Das Habsburgerreich zerfällt von innen, doch Kaiser Karl I., seit Herbst 1916 Oberbefehlshaber der Armee, scheint dafür blind zu sein. Das Elend in seinem Reich bedrückt ihn, doch seine Versuche, den Frieden auf Umwegen zu erwirken, bleiben dilettantisch und erfolglos. Und so stürzt er sich in Frömmigkeit, beichtet dreimal täglich und flüchtet sich danach noch ins
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