Lesereise - Inseln des Nordens
Wasserläufchen begleitet. Die Hügel sind überzogen von saftigem Weidegras, grün auch die Bulten, vom Frost aufgeworfene Wiesenfurunkel, und auf alten Lavafeldern liegt Moos wie Grünflächen einer Modelleisenbahn. Aber mit Schwarz-Grün-Malerei begnügt Island sich nicht, in Landmannalaugar treibt es die Erde bunt. In Sommernächten bleibt es hell, ich wandere um Mitternacht los, um Obsidian zu suchen, glasartige Lava. Der Weg führt an der schwarzen Stirn eines Lavafeldes entlang in ein braunes Flussdelta, vorbei an einem grünen Berg, wie Kreide bröselt es aus der Wand. Bald folgt ein roter Abschnitt, dann ein gelber, Rhyolith nennen Geologen diesen Malkasten der Erde. Schwarze Steine gibt es ohne Ende, aber nicht glasreine. Frisch zerschmetterte Brocken zeigen messerscharfe Schnittkanten, bizarr schön. Die Taschen von Jacke und Hose beulen aus, vollgestopft mit Musterexemplaren. Mittlerweile färbt sich der Himmel blutrot. Abendrot oder Morgenrot? Ohne Uhr ist man in Island zeitlos. Kein Mensch ist unterwegs, die grandiose Einsamkeit dieser Urweltlandschaft berauscht, man möchte immer nur weitergehen. Verführerisch. Ich stolpere, den Weg hab ich längst verlassen. Wenn ich hier hinfalle – gute Nacht. Rückzug. Vor dem Zelt schütte ich Steinhäufchen auf. Leider überfällt uns am nächsten Morgen eine widerliche Mückenplage. Müsli wird auf- und abgehend verspeist, hinsetzen und Kaffee trinken wäre unmöglich. Überstürzter Aufbruch, ich vergesse meine Steine.
Wasser. Island ist das Baby unter den Erdenbürgern, ein Schorf auf der Oberfläche: Die auseinanderdriftenden Kontinentalplatten reißen am Mittelatlantischen Rücken immer wieder auf, aus der Wunde speit Magma – und Island wächst. Wasser hatte noch keine Zeit, tiefe Canyons ins Gestein zu graben und so springt es von Stufe zu Stufe. So viele Wasserfälle! Einmal lugt kurz die Sonne heraus, neben der Straße hüpft ein Bach eine kleine Schlucht hinunter, purzelt durch schwarze Lavabecken, turbelt und gurgelt. Wie nix baden drei Frauen nackt im Gletscherbach – Imponiergehabe funktioniert nicht nur bei Männern. Danach im Windschatten, in der Sonne, auf den schwarzen Lavafelsen liegen – das ist schön.
Feuer, Erde, Wasser und Luft: Als wollte er die Elemente besiegen, steht Robert am Kraterrand. Regelmäßig und flammend rot steigen die Kraterwände empor, hundertfünfzig Meter tiefer liegt ein See. Rund um den See ist der Boden flach. »Da unten starten wir. Ein Kraterstart im Land von Feuer und Eis!« Ist er verrückt geworden?
Routiniert gibt er Anweisungen für den Ballonstart. Er lässt weitere Versuchsballons steigen: Über dem Boden herrscht Nordwind, in der Höhe auf Nordwest drehend. »Optimal«, sagt Robert. Übersetzt heißt das: Der Wind wird den Ballon in die Richtung tragen, die Robert haben wollte. Wo er landen möchte, werden keine Hochspannungsleitungen, Seen, Gletscher, Meere oder brodelnde Vulkane auf die Luftfahrer warten.
Fitzcarraldo auf Island. Wir tragen kein Schiff über den Berg, sondern einen Heißluftballon den Berg hinunter. Das heißt: Wir schleppen vier große Gasflaschen, einen zentnerschweren Korb, Brenner, Funkgeräte, Pilotentasche und anderes Zeugs zum Kratersee. Die Hülle liegt schlaff auf der Erde, am Boden des Kraters. Der Ventilator wird angeworfen, bläst Luft und Luft und Luft hinein. Allmählich wird sie dicker, zeigt Farben, richtet sich auf. Robert zündet den Brenner. Mit Getöse fährt der Feuerstrahl in den Ballon. Der Luft wird es heiß und heißer. Sie will da raus, will hinauf. Anette steigt in den Korb. Robert feuert weiter. Der Fotograf klettert hinein. Robert feuert weiter. Der Korb ist voll. Wir spurten die steilen Lavahänge hoch, um möglichst viel zu sehen. Dann hebt der Heißluftballon ab. Langsam. Die tiefstehende Abendsonne reicht nicht mehr bis zum Kraterrund hinein. Dort unten ist es schattig, dunkel. Der Ballon steigt. Die Sonnenstrahlen fallen auf seine Kuppe, bald ist er halb, dann ganz in die Sonne hinaufgetaucht, die Ballonhülle erglüht farbig vor der roten Kraterwand. Schließlich steigt der Ballon aus dem Krater empor, Himmelfahrt, als würde er die Erde verlassen, nur getragen von Wind und Feuer.
B. S.
Heringsschwärme und Fuchsschweife am Himmel
Ein Hamburger Maler hat auf den Lofoten sein Lieblingsmotiv gefunden – das Nordlicht
Der Himmel über Svolvær glüht rot, grün und blau. Christian-Ivar Hammerbeck steht in seinen dicken Parka gehüllt am
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