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Lesereise - Inseln des Nordens

Lesereise - Inseln des Nordens

Titel: Lesereise - Inseln des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Schaefer , Rasso Knoller
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– oder fünfundvierzig Minuten, wenn man mit dem Schnellboot unterwegs ist – eine Stelle erreichen, an der die europäische Kontinentalplatte steil ins Meer abfällt. Hier finden die großen Wale reichlich Nahrung und deswegen ist die Wahrscheinlichkeit, einen der Meeressäuger zu sehen, hoch – die Sichtungsquote liegt je nach Jahreszeit zwischen fünfundneunzig und neunundneunzig Prozent.
    Dass man hauptsächlich Pottwale zu Gesicht bekommt, auch das weiß Birthe. Die dänische Biologiestudentin arbeitet im Sommer auf den Walbeobachtungsbooten und begleitet Touristen auf den Ausfahrten. Außer den bis zu zwanzig Meter langen Pottwalen leben hier verschiedene Delfinarten, Buckelwale, Orcas und Zwergwale. Von Letzteren gibt es allein im Nordatlantik zwischen ein- und zweihunderttausend Tiere. »Zwergwale werden wir auf den Walsafaris nur selten zu sehen bekommen«, sagt die Studentin. Denn die bis zu neun Meter langen Tiere tauchen nur für wenige Sekunden an der Wasseroberfläche auf, um dann wieder in den Tiefen des Meeres zu verschwinden. Vielleicht scheinen ihnen die Meerestiefen sicherer, weil sie wissen, dass sie im Gegensatz zu ihren größeren Vettern in Norwegen gejagt werden dürfen.
    Die Waljagd hat Norwegen bei Umweltschützern im Ausland einen schlechten Ruf eingebracht. Deswegen will ich von den »Whalewatchern« wissen, was sie über Walfang denken. Die aber halten sich bedeckt. Nur einer der Wissenschaftler der Forschungsstation will sich äußern. Aber seinen Namen gedruckt sehen, will auch er nicht. »Wir hier sind natürlich neutral«, sagt er lächelnd. Nach einer kleinen Pause fügt er hinzu, dass nach seiner Ansicht die Kritiker im Ausland herzlich wenig über den Walfang wüssten und die Argumente, die sie verwendeten, nicht haltbar seien.
    Erst 1988 begann man in Andenes mit den Touristentouren. Damals ging den Forschern der Walstation das Geld aus und sie konnten sich die Fahrten aufs Meer hinaus nicht mehr leisten. Um ihre Forschungsarbeit weiterzufinanzieren, nahmen sie einfach Touristen auf die Beobachtungsfahrten mit. Im ersten Jahr fuhren dreihundertfünfundsiebzig Gäste mit den Forschern hinaus aufs Meer, inzwischen buchen jedes Jahr dreißigtausend Menschen eine Waltour in Andenes. Die Walsafaris gehören zu den beliebtesten Touristenattraktionen in Nordnorwegen.
    »Die sollten sie nehmen«, empfiehlt uns Birthe und deutet auf die Tabletten gegen Seekrankheit, die sie an jeden Passagier verteilt. Geht ja schon gut los, denke ich. Seekrankheit ist also inbegriffen. Die ersten zwei Stunden der Fahrt konzentrieren sich die meisten Passagiere darauf, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten. Die ganz Mutigen holen sich Tee und Gebäck, die eher Vorsichtigen verzichten auf Speis und Trank, sitzen etwas verkrampft auf ihren Plätzen und schauen versonnen auf den Horizont. Dies, so hat uns Birthe erklärt, helfe gegen aufkommende Seekrankheit.
    Plötzlich unterbricht ein Schrei vom Ausguck die Mutigen beim Teetrinken und die Vorsichtigen beim Meditieren: »Hval, hval«, schallt der Ruf über das Boot. Helle Aufregung überall. Jetzt versucht jeder, mit der Kamera bewaffnet, so schnell wie möglich an die Reling zu kommen. Hundert Touristen an Bord drängeln los. In etwa dreihundert Metern Entfernung schießt eine Fontäne in die Höhe. An der Blasrichtung des Strahles kann man angeblich die Walart erkennen. »Ein Buckelwal«, ruft Birthe. Dies sei ein Glückstag, sagt sie, denn einen solchen Wal sehe man hier nicht alle Tage. Doch obwohl sich unser Kapitän alle Mühe gibt, kommen wir nicht näher heran. Bald darauf stören wir ein paar Weißnasendelfine bei ihrer Mittagsmahlzeit. Die nehmen uns das nicht weiter übel und begleiten das Schiff für eine Weile. Nach einiger Zeit hat jeder seinen Delfin im Kasten – auch die Reisegäste ohne Teleobjektiv. Dann setzt eine Flaute ein – nein, der Wind wird leider nicht schwächer –, aber die »Action« auf dem Meer lässt nach. Als wir bereits wieder auf dem Rückweg sind, bekommen wir aber doch noch den versprochenen Pottwal zu Gesicht. »Dort drüben«, ruft der Mann am Ausguck. Als sei dies der Startschuss für einen Hundertmeterlauf, stürzen wir erneut zur Reling. Der Pottwal scheint zu wissen, dass er die Hauptattraktion der Fahrt ist und lässt das Schiff bis auf dreißig Meter herankommen. Jetzt klicken die Kameraverschlüsse wie wild.
    Das ist ein Männchen, weiß Birthe. Und gibt zu, das sei nicht schwer herauszufinden. Hier vor

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