Lesereise - Inseln des Nordens
Hamburger – von den Hanseaten wird ja behauptet, dass sie die Leidenschaft für die Seefahrt schon mit der Muttermilch aufnehmen. Wenn Hammerbeck zu Hause ist, steht er zweimal täglich an seinem Ausguck im Wohnzimmer – dann nämlich, wenn die Postschiffe der Hurtigruten vorbeifahren. Für ihn ist das zum Ritual geworden. Die Schiffe gehören zu seinem normalen Tagesablauf, und auch nachdem sie aus seinem Blickfeld verschwunden sind, begleitet er sie noch ein Weile in Gedanken. Hammerbeck mag Schiffsreisen nicht nur in der Fantasie. Unlängst reiste er als Schiffsmaler auf der MS Lofoten mit. Er hat das Hurtigrutenschiff und die norwegische Landschaft gemalt, die vor dem Kajütenfenster vorbeizog, und er hat beiden sogar einen Bildband gewidmet. Menschen sucht man auf Hammerbecks Bildern allerdings vergeblich. »Die grandiose Natur der Lofoten hat mir bewusst gemacht, wie klein wir Menschen sind«, sagt er. Und: »In meinen Bildern sind die Menschen so klein geworden, dass sie gar nicht mehr vorkommen.«
Früher, als es hier oben im Norden noch keine Straßen gab, waren die Hurtigrutenschiffe die einzige Verbindung zur Außenwelt. Sie brachten die neue Waschmaschine ebenso wie den Liebesbrief des im fernen Oslo arbeitenden Verlobten. Auch heute sind die Schiffe immer noch ein wichtiges Verbindungsglied zwischen den einzelnen Küstenorten. Sie sind aber inzwischen auch Touristendampfer, die Norwegenbesucher bequem und luxuriös von Bergen im Südwesten bis nach Kirkenes im äußersten Norden bringen. Auch im Winter, wenn das Polarlicht lockt.
In den Wintermonaten bieten die Lofoten noch eine weiteres Spektakel – allerdings ein von Menschen gemachtes: Den Lofotfischfang. Auf Hammerbecks Bildern kommt er nicht vor – anders bei seinen norwegischen Malerkollegen. Für die ist der Lofotfischfang seit jeher ein beliebtes Motiv. Jedes Kunstmuseum und jede Galerie auf der Insel stellt Bilder zu diesem Thema aus. Im 19. und noch weit bis ins 20. Jahrhundert kamen Zehntausende Fischer zur Fangsaison auf die Lofoten. Ihre Boote lagen in dichten Reihen in den Häfen, und die bei den Touristen als Ferienhütten beliebten rorbuer waren nichts anderes als die Schlafhütten der Fischer. Auch heute kommen Jahr für Jahr im Winter bis zu dreitausend Fischer aus dem ganzen Land auf die Inselgruppe, um vor ihrer Küste den Dorsch zu fangen. In dieser Zeit kann man von vielen Häusern das Meer vor lauter Fischen nicht mehr sehen. Denn sobald der Dorsch gefangen ist, wird er an riesigen, zeltförmigen Holzgestellen zum Trocknen aufgehängt. Hunderttausende Fische werden so in der trockenen und salzigen Meeresluft zu Stockfisch und versperren den Einheimischen die Sicht. Sie füllen ihnen aber gleichzeitig die Geldbörsen. Denn besonders in Ländern Südeuropas ist der norwegische Stockfisch eine beliebte und gut bezahlte Delikatesse. Der Fischfang war für den Norden Norwegens einst die einzige Einnahmequelle – und ist bis heute eine der wichtigsten. Darum nennt man hier das Nordlicht auch Heringsblitz. Denn früher glaubten die Fischer, dass das wundersame Licht am Himmel nichts anderes sei als die Spiegelung riesiger Fischschwärme am Firmament.
R. K.
Käpt’n Stockfisch
In Å auf den Lofoten steht das einzige Stockfischmuseum der Welt
So wie Steinar Larsen stellt man sich einen Fischer aus dem Norden vor. Er trägt Norwegerpulli und eine blaue Arbeitshose, der man ihr Alter ansieht. Sein Vollbart ist schon etwas ergraut, das Haar schütter. Obwohl er nicht mehr der Allerjüngste ist, wirkt er fit und durchtrainiert. Man spürt, dass er viele Jahre seines Lebens draußen auf hoher See verbracht hat. Inzwischen ist es zwar schon mehr als fünfzehn Jahre her, dass er selbst zum Fischfang hinausfuhr. Die gesunde Gesichtsfarbe ist ihm aber geblieben.
Larsen, Spross einer Fischerfamilie, ist der König des Stockfischs. Als Fischer war er beim Dorschfang mit dabei, als Fischhändler hat er den Fisch nach Italien exportiert, und weil der Stockfisch sein Leben bestimmt hat, hat Larsen ihm sogar ein Museum gewidmet. Das Tørrfiskmuseum ist die größte Sehenswürdigkeit der kleinen Ortschaft Å ganz im Süden derLofoten. Bis in die sechziger Jahre hinein war das rote Holzgebäude eine Fischannahmestation. Hier lieferten die Fischer ihre Fänge ab und die Großhändler kauften sie auf. Frischer Fisch aus Å war auf dem Londoner Fischmarkt gefragt.
Mit Frischfisch hat Larsens Museum aber nichts zu tun. Es widmet sich
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