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Lesereise - Inseln des Nordens

Lesereise - Inseln des Nordens

Titel: Lesereise - Inseln des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Schaefer , Rasso Knoller
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missioniert er die Eskimos, mit Stock und Bibel. Vor allem den angakoks , den grönländischen Schamanen, will er das Handwerk legen. Es gelingt ihm nicht ganz, bis heute haben sich Reste des Urglaubens erhalten, die neben dem christlichen fortbestehen, wie eben im Haus des alten Paares in Sermiligaaq.
    Missionare taufen die Inuit mit skandinavischen Namen. Die heutigen Grönländer heißen Nils und Peter, Christiane und Hansine, oder eben Thorvald und Gudrun – sie sind Europäer schlechthin; das Ergebnis jahrhundertelanger Vermischung norwegischer, dänischer und portugiesischer Walfänger, skandinavischer Pastoren sowie Herrnhuter Missionare mit den Frauen der Inuit. Jahrtausendelang hatten sich die Inuit an das Klima und die Unbillen der Arktis angepasst, aber gegen das, was die Europäer ihnen brachten, waren sie machtlos. 1733 rotteten Pocken ganze Dörfer aus, Grippe und Tuberkulose wüteten nicht weniger, und ebenso wehrlos waren sie gegen Alkohol.
    Im 19. Jahrhundert entdeckten endlich auch die Entdecker Grönland, erforschten das Inlandeis und die Eisberge, durchquerten und umkreisten die Insel und machten sich auch an die Erforschung der Urbevölkerung. Sogar Ende des 19. Jahrhunderts wird noch einmal eine bis dahin unbekannte Gruppe von Inuit von Weißen aufgesucht: Als Gustav Holm 1884 an der grönländischen Ostküste entlangfuhr, entdeckte er im Ammassalik-Fjord eine kleine Siedlung von Inuit. Die Generation der Großeltern von Thorvald und Gudrun hatten noch nie andere Menschen als die ihrer Dörfer gesehen. Holm schrieb, sie seien »durch unseren Anblick« nicht so sehr verwundert gewesen, wie man von Leuten hätte erwarten können, die noch nie andere Menschen gesehen hatten, als die, aus denen ihr eigenes kleines Gemeinwesen bestand. Doch die Schamanen erzählten viele Geschichten darüber, wie sie im Inneren des Landes »die sagenhaften Erkilliker und Tirmeseter angetroffen haben, und wie sie tagtäglich mit allen Arten merkwürdiger Geister verkehren, dass die Leute nicht besonders erstaunt darüber waren, dass es jetzt auch ihnen bestimmt war, ein wenig Seltsames zu sehen«.
    Mitte des 20. Jahrhunderts tilgt schließlich der Tourismus einen der letzten weißen Flecken auf der Landkarte – das eisbedeckte Grönland, das geologisch zu Amerika gehört, durch aus Asien angereiste Stämme und europäische Wikinger besiedelt wurde, hat nun selbst entdeckt, dass es ein reizvolles Ziel für Besucher aus der ganzen Welt sein kann. Mitte der neunziger Jahre kamen etwa viertausend Touristen jährlich, 2007 waren es dreiunddreißigtausend.
    Und Grönland emanzipiert sich von seinen Entdeckern und Kolonialisten. Wegen seiner Zugehörigkeit zu Dänemark war Grönland Mitglied der Europäischen Gemeinschaft – was den europäischen Hochseeflotten Tür und Tor und das Meer rund um die Insel öffnete. Und europäische Konzerne begannen unterm schmelzenden Inlandeis nach Bodenschätzen zu suchen. 1982 stimmten die Grönländer für einen Austritt aus der EG . Am 25. November 2008 fand eine weitere Volksabstimmung statt, daraufhin wurde der seit 1979 geltenden Autonomiestatus durch eine Selbstverwaltungsordnung ersetzt.
    Auf Arktisreisende wirkt Grönland so magnetisch wie der Nordpol, es zieht sie immer wieder hin. »Lasst mir den Schnee und die Hunde, alles andere kannst du behalten«, soll Knud Rasmussen gesagt haben, nachdem er 1921 zu einer sehr langen Schlittenreise aufbrach: Er fuhr von Thule in Nordgrönland bis nach Nome, einem Ort an der äußersten Westküste Alaskas. So konnte er beweisen, dass es den Inuit umgekehrt möglich gewesen war, von der Beringstraße aus Grönland zu besiedeln. Und Fridtjof Nansen, der wochenlang auf Skiern durch Grönland marschiert war, schrieb danach: »Hast du den Text gehört, den die Natur dir predigt? Dann lausche auf die Weite, sie ruft dich zurück.«
    B. S.

Wo Eisberge auf Reisen gehen
Unterwegs an der grönländischen Westküste
    Ilulissat bedeutet Eisberge. Warum der Ort so heißt, begreift man nach einem kleinen Spaziergang aus der Stadt hinaus. Nach einer halbstündigen Wanderung, begleitet vom Geheul der sechstausend Schlittenhunde, steht man auf dem Hügel hinter dem alten Friedhof: Ein riesiger Eisberg ankert vor dem Hafen. Der weißblaue Koloss degradiert die drittgrößte Stadt Grönlands zu einem Haufen bunter Bauklötze. Auf der anderen Seite des Hügels aber: Isfjorden, der Geburtskanal für die größte Eisbergdichte der Arktis. Hier kalbt der

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