Lesereise - Israel
und ungestört ausleben können.
Wer allerdings zur wirklichen Szene gehört, der geht nicht auf die öffentlichen Partys in den bekannten Clubs, an denen man vor dem Eingang mit den Massen in Berührung kommt und die Türsteher erniedrigende Selektion betreiben. Die kulturelle Oberschicht trifft sich an geheimen Adressen, die sich Insider zustecken und an denen man nur eingelassen wird, wenn man jemanden persönlich kennt. In einem ganz normalen Wohnhaus im ruhigen, wohlhabenden Norden Tel Avivs werden seit Jahren die begehrtesten Jamsessions der Stadt abgehalten. Das Klingelschild am Eingang verrät nichts vom Geheimnis im Keller. Die wenigen Glückseligen, die eine Einladung erheischt haben, schleichen leise die Treppen hinunter in ein Vorzimmer, in dem die Namensliste überprüft wird. Kein Laut dringt vom dröhnenden Inneren in die oberen Etagen. Hinter der schalldichten Tür und dem durchsichtigen Plastikvorhang ziehen bereits dicke, süßliche Schwaden Haschisch durch die Luft. Alt und Jung vermengen sich ungezwungen, man trägt Jeans und ausgewaschene T-Shirts. Hier eingeladen zu sein ist Status genug, da muss man sich nicht auch noch aufdonnern. Auf einer Couch sitzen ein paar der bekanntesten Popstars Israels und spielen Riffs: Locker steckt ein Joint zwischen den Saiten der Gitarre, immer wieder greifen sie zum Bier, das hier kostenlos gereicht wird. Wie am Trommelstrand schwingt die Musik hin und her – mal führt das Keyboard, dann die Gitarren, immer wieder lassen die Stars auch mal Normalsterbliche an die Instrumente, damit man gemeinsam improvisieren kann, bis draußen die Sonne wieder aufgeht oder man das Gehör verliert.
Wer nicht gut genug vernetzt ist, der muss mit den bekannten Etablissements vorliebnehmen. Die heißesten Adressen der Stadt ändern ständig ihre Namen. Zur Zeit heißt ein trendiger Pub »Landen«. Er befindet sich neben einem Privattheater im Keller eines Einkaufszentrums. Die obligatorischen Türsteher halten eine Schar kichernder, minirockbewehrter Mädchen in Schach, während die Glücklichen im Inneren in Fahrt kommen. Egal an welchem Wochentag man im Landen einkehrt, man findet selten genug Platz zum Tanzen, es sei denn man kommt zu früh, also vor Mitternacht. Israelis feiern bis zum Morgengrauen, in Tel Aviv geht so mancher von der Bar zur Arbeit. Andere marschieren von der Disko zum ausgiebigen Frühstück oder den berüchtigten After-Partys, die erst am nächsten Mittag enden. Angst vor Attentaten erscheint den Menschen in der dröhnenden Bar außerweltlich: »Darüber denke ich überhaupt nicht nach, das war doch früher«, sagt Maria Rusena, eine achtundzwanzigjährige Schönheit, die versucht, ihr Cocktailglas vor der an ihr vorbeiströmenden Menge in Sicherheit zu bringen. Ofer ist ein siebenunddreißigjähriger Offizier, den es dreimal in der Woche ins Nachtleben von Tel Aviv zieht. Er sieht die größte Gefahr in den israelischen Frauen, die sich ihre Drinks von ihm bezahlen lassen. Das kann ihn teuer zu stehen kommen, schließlich ist Israel seit der Einwanderung russischer Juden zu einem Weltspitzenverbraucher von Wodka geworden. Das freut den Schmetterling vom Trommelstrand sehr: Schließlich bestreitet er seinen Lebensunterhalt mit dem Pfand von leeren Flaschen. Von denen gibt es in und neben den Mülleimern Tel Avivs jeden Morgen mehr als genug.
Heiße Miezen
Straßenkatzen gehören zum Stadtbild jedes israelischen Wohnorts. Ihre Vorzüge erkennt man nicht immer gleich
Erst am Abend zuvor hatte ich mein Auto in einer Tel Aviver Waschstraße von einer dicken Schicht israelischen Wüstenstaubs befreit, schon zog sich am nächsten Morgen wieder eine Schlammspur über das blitzende Metall der Kühlerhaube. Unverkennbar: Sie war wieder da! Von meinen Nachbarn unaufhörlich gefüttert, ist sie auf unserem Grundstück zum Dauergast geworden. Die braun-weiß-graue Straßenkatze, die immer am Hauseingang steht und miaut, um zur nächsten Fütterung auf die erste Etage vorgelassen zu werden, hat keinen Namen. Doch trotz ihrer Anonymität ist sie inzwischen in meinem Alltag präsent: Nachts wecken mich ihre Liebhaber, die unter meinem Schlafzimmerfenster so laut und menschenähnlich um die Wette jaulen, dass man denken könnte, der Nachbar quäle einen Säugling. Die Katzen machen im Sommer nicht nur jede erholsame Nachtruhe zunichte, sondern sind auch vierbeinige Feinde meines vierrädrigen Transportmittels. Ihr einziges Ziel scheint zu sein, meine sporadischen
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