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Lesereise - Israel

Lesereise - Israel

Titel: Lesereise - Israel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gil Yaron
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Versuche, das Auto respektabel aussehen zu lassen, sofort zu vereiteln, indem sie nachts auf der warmen Kühlerhaube oder dem kühlen Dach Platz nehmen und ihre staubigen Pfoten sauber rubbeln.
    Schätzungsweise mehr als eine Million herrenlose Katzen wandelt in den Straßen Israels und teilt die Bevölkerung in zwei Lager: diejenigen, die sie immer öfter, und jene, die sie überhaupt nicht mehr sehen wollen. Die Beziehung von Mensch und Katze wurde nicht von den Kindern meiner Nachbarin erfunden, die zweimal täglich Plastikteller vor die Haustür stellt, die sie mit Käse, Milch und Hühnerbeinen füllt. Katzen haben im Nahen Osten Tradition. Als die alten Ägypter entdeckten, dass die behänden nachtaktiven Jäger die vollen Kornspeicher der Pharaos vor eifrigen Mäusezähnen bewahrten, erklärten sie die Tiere für heilig. Katzen wurden zum Inbegriff von Schönheit und Fruchtbarkeit, nicht zuletzt, weil sie dreimal jährlich schwanger werden können. Wer einer Katze etwas zuleide tat, dem drohte die Todesstrafe.
    Auch Prophet Muhammad, der Gründer des Islam, umhegte seine Lieblingskatze Muesa. Seither sind Muslime dazu angehalten, sich Katzen gegenüber gut zu benehmen. Im Gegensatz zu Hunden, die von Arabern als niederes Tier verachtet werden, können Katzen unbehelligt durch Moscheen huschen und theoretisch gar von den Tellern der Gläubigen essen. Manche muslimische Kinder nehmen sie in der Nacht sogar mit ins Bett, um sich an ihnen zu wärmen.
    Christliche Europäer hingegen hassten im Mittelalter die Katzen wie die Pest, oder zumindest fast so sehr. Sie vertrieben sie aus ihren Städten, da sie als Inkarnation des Teufels galten. Dafür zahlten sie einen hohen Preis. Die Ratten vermehrten sich in Folge der Katzenvertreibung und verbreiteten den Schwarzen Tod.
    Die auf meiner Straße beheimatete schizophrene Pennerin, die auf der Sitzbank vor der Synagoge mit imaginären Feinden streitet, ist offensichtlich keine mittelalterliche Christin. Fürsorglich verstreut sie unappetitliche Essensreste auf dem Bürgersteig, für alle vierbeinigen Bewohner der Umgebung, und bedroht jeden, der sich ihrer stinkenden, improvisierten Katzenfütterungsstation nähert.
    Es sind genau solche Fütterungen, die die Diskussion um die allgegenwärtigen Straßenkatzen anheizen. Dank der guten Versorgungslage haben sie sich nämlich so vermehrt, dass sie zwischen Restauranttischen umherlaufen und sogar bis in Bäckereien und Krankenhäuser vordringen. Der Disput kam bis zum höchsten Gerichtshof und in Parlamentsausschüsse, wo darüber gestritten wurde, ob es rechtens ist, Rentnerinnen zu zwingen, zwei Kilometer bis zur nächsten lizenzierten Katzenfütterungsstelle zu marschieren, oder ob nicht doch jeder Katzen überall füttern dürfen sollte.
    Seit 1994 ist laut einem Urteil des Verfassungsgerichts das Töten von Katzen verboten. Die Massenvergiftung der Vierbeiner, bis dahin von Städten betrieben, um der Plage Herr zu werden, erwies sich nicht nur als inhuman, sondern auch als ineffizient. Sobald die Vierbeiner aus einem Stadtteil verschwanden, wanderten Artgenossen im Nu aus den Nachbarorten ein und vermehrten sich, dank des nun größeren Nahrungsangebots, noch schneller. Stattdessen werden Straßenkatzen in Israel heute gefangen, kastriert und wieder ausgesetzt. Allein 2009 entmannte der städtische Tierarzt in Tel Aviv etwa tausendvierhundert Kater. Dies hat den Vorteil, dass sie mit potenten Artgenossen um Nahrung konkurrieren und darüber hinaus Skorpione, Ratten und Schlangen verjagen.
    Das ist übrigens auch der Grund, warum ich die schmierigen Flecken auf meinem Auto weiterhin still erdulde: Ich sehe die schlafraubenden, autoverschmutzenden Pelztiere allemal lieber auf meinem Dach als eine Natter.

Auferstanden aus Ruinen
Die Zukunft des Judenstaats, so scheint es, gehört den Ultraorthodoxen, die pro Haushalt dreimal mehr Kinder haben als der Landesdurchschnitt
    Nur knapp zwanzig Autominuten von den Bars Tel Avivs entfernt schien im November 2009 eine gewaltige Zeitmaschine aufgestellt worden zu sein. Mehr als neunzehntausend ultraorthodoxe Juden waren nach Netanjah geströmt, um an einer der wichtigsten Hochzeiten in der Geschichte Israels teilzunehmen. Mit ihrer altertümlichen Kleidung sahen sie aus, als entstammten sie einer anderen Epoche auf einem fernen Kontinent. Sie trugen Pelzhüte, wie sie in Russland vor zweihundert Jahren modisch waren, der Vater des Bräutigams reiste in einer prächtigen Kutsche an,

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