Lesereise Kanarische Inseln
schichten sich die Hotels und
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Appartements steil den Hang hinauf. Und es wird weiter gebaut. Baggerschaufeln nagen am Fels.
Puerto de Mogán liegt kaum mehr als einen Kilometer Luftlinie von Taurito entfernt und leuchtet verlockend bunt im Schutz seiner massiven Hafenmauer. Der Hafen von Mogán war einst eine Art Sehnsuchtsort für Alternativtouristen, die an einer noch unverdorbenen Küste in der Sonne liegen wollten, ohne von Tausenden von deutschen Landsleuten umzingelt zu sein, als sei man in einem Freibad in Berlin oder Frankfurt. Man übernachtete in einfachen Pensionen bei »Lucrecia«, »Lumy« oder »Guillermo«, teilte sich zu zweit abends ein Thunfischfilet mit Pommes Frites und gemischtem Salat für fünfhundert Peseten und freute sich an den günstigen Preisen für Zigaretten, Bier und Brandy.
Dann wurde auch Puerto de Mogán für den Tourismus erschlossen. Doch der Ort schien unter dem Schutz einer guten Fee zu stehen. Was rund um den Fischerhafen gebaut wurde, entpuppte sich als Vorzeigeprojekt einer gelungenen touristischen Entwicklung. Kleine einstöckige Häuschen im kanarischen Stil wurden errichtet, überrankt von Bougainvillea und Palmwedeln, durchzogen sogar von zwei Kanälchen, die dem malerischen Ensemble bald den Beinamen »Klein-Venedig« einbrachten. Nicht einmal die Rucksacktouristen konnten etwas gegen diese perfekt inszenierte Idylle sagen.
Von der Hafenmauer aus gesehen ist Puerto de Mogán bis heute ein Schmuckstück geblieben. Bunte Fischerboote spiegeln sich im dunkeltürkisen Wasser. Als romantische Kulisse erheben sich dahinter
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die hübschen Häuschen der Pionieranlage mit Dachterrassen, die von blühenden Pflanzen überquellen. Sonnengelb leuchtet der neu angelegte Sandstrand.
Doch ist auch Puerto de Mogán nicht mehr, was es einst war. Der gesamte Talgrund des sanft zum Meer auslaufenden barrancos war früher oasengleich von Gemüseplantagen bedeckt. Auberginen und Tomaten wurden hier gezogen, Papayabäume breiten Schatten darüber aus. Alles Grün ist verschwunden. In der Talmitte thront ein riesiges Einkaufszentrum, rund herum wurde und wird gebaut. Die lauschige Dorfkneipe in einem historischen Haus mit Balkendecke, einst beliebter Treffpunkt von Seglern und Alternativtouristen, ist nicht mehr auszumachen. Früher saßen die alten Männer des Ortes auf der Terrasse. Wie ein Zitat der guten alten Zeit finden wir noch ein Kleeblatt von Dominospielern im Schatten eines riesigen Gummibaums. Aber sie wirken verloren zwischen Supermarkt, Souvenirshops und der Spielhölle Salón Recreativo Mogán.
Einige der alten familiären Herbergen existieren nicht mehr, doch in der Pension Lumy am Ortseingang treffe ich Juán Diáz Sosa und seine wie einst energiegeladene Frau María wieder. »Was sie mit der Playa de Taurito gemacht haben, ist ein Verbrechen«, sagt María, und auch über die Veränderungen in Puerto de Mogán ist sie entsetzt: »Gut, wir haben einen netten Strand angelegt bekommen, den ja auch die Einheimischen benutzen können. Aber ansonsten: Wo grün war, ist heute Beton. Wir können von Glück sagen, dass sie uns nicht gleich mit einzementiert haben.«
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Vom Puerto aus führt die GC 200 ins Hinterland durch das Städtchen Mogán und den gleichnamigen Barranco. Schnell findet die Landschaft zu ihrer ursprünglichen Wildheit zurück. Die Straße windet sich Kurve um Kurve durch das bergige Panorama. Weiß leuchtet das Dorf Casas de Venegueras in einer Talmulde. Wenig später ist die fotogene Felswand Los Azulejos erreicht. Goldgelb, türkis, rosa, weiß und purpurrot schimmern die Gesteinsschichten auf, als hätten Riesen hier die Farbreste ihres Malkastens ausgestrichen. Im Winter ist die Landschaft von saftig grünen Pflanzen getupft. Jetzt, im Hochsommer, zeigt sich das sonnengedörrte Hinterland der Südwestküste in afrikanisch anmutenden Tönen von Ocker und Braun. Der Wind zerrt uns in den Haaren, als wir die Anhöhe Degollada de la Aldea erreichen. In der Ferne liegt die Westküste in blauem Nachmittagsdunst, vor uns breitet sich das bäuerliche La Aldea de San Nicolás mit seinen Plantagen aus. Es ist ein unspektakuläres Landstädtchen, dessen Bewohner sich um ihre Pflanzungen kümmern müssen und nichts für die Touristen zu inszenieren haben.
Doch selbst mitten in den touristischen Hochburgen hat die Natur ein Wunder geschaffen: die Dünen von Maspalomas. Allabendlich sind sie das Ziel der Strandläufer. Da liegt sie, die größte Sandkiste
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