Lesereise Kanarische Inseln
mittlerweile recht guter Beschilderung entweder individuell gehen oder als geführte Exkursion vor Ort buchen, was zuweilen das Transferproblem erleichtert. Oft liegen nämlich Anfang und Ende einer Wanderung weit voneinander entfernt. So etwa bei der Wanderung vom noch ganz ursprünglichen Santo Domingo de Garafía durch den Barranco Fagundo zum winzigen Weiler El Tablado im Norden. Bei den Guanchen-Spiralgravuren von La Zarza beginnt der Weg, führt zunächst durch dichten Wald mit Riesenfarnen, mannshohem Erika und Säulenkakteen. Dann öffnet sich das Gelände und gewährt spektakuläre Blicke auf die fast unbewohnte Nordküste. Dottergelber kalifornischer Mohn, violett leuchtende Blatterbsen und riesige lilablaue Natternköpfe säumen den Weg. Außer den Wanderern ist nur eine Hirtin mit ihren Ziegen unterwegs.
Der Camino Real nimmt sich die Überquerung der Cumbre in westöstlicher Richtung vor. Unsere achtjährige Tochter stöhnt. Es ist ihre erste Bergwanderung, und der »Königliche Weg« ist ganz und gar nicht bequem. Oberhalb von El Paso sind wir bei der Einsiedelei Virgen del Pino aufgebrochen. Sofort steigt der Pfad in steilen Kehren bergan. Noch ist es früh am Morgen und der Westhang liegt im wohltuenden Schatten. Die Luft ist kühl. Tautropfen hängen in den Kiefern. Die Bäume »kämmen« sich das lebensnotwendige Wasser aus den Wolken.
Der Camino Real ist ein uralter Pfad. Jahrhundertelang wurden alle Waren von der Inselhauptstadt
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Santa Cruz im Osten auf Maultieren über den Grat nach Westen transportiert. Das Kind möchte jetzt auch ein Muli haben oder den »Dreh-um-die-Bolzen-Hügel« aus einem Kinderbuch Astrid Lindgrens, auf dem man immer bergab gehen kann, egal aus welcher Richtung man kommt. Der Blick vom höchsten Punkt des Weges bei der wohlverdienten Rast nach Osten hin beeindruckt die Tochter dann doch. Santa Cruz schmiegt sich weiß leuchtend an die Küste, und der Ozean liegt wie ein silberner Spiegel im Licht. Die Eidechsen werden von der Wärme munter und naschen Bananenstücke direkt von der still gehaltenen Kinderhand. Auf dem Rückweg sammeln wir Kiefernzapfen für den Kamin des Ferienhauses.
Wir haben einen Traumtag erwischt. Keine Wolke trübt den Himmel. Das ist gut so, denn vor uns liegt die Ruta de los Volcanes. Sie läuft vom Refugio El Pilar fast genau auf der oft verhangenen Cumbre nach Süden. Zwei Stunden spendet uns der Bergwald Schatten, ab dem Vulkan Hoyo Negro ist das Gelände offen und die Sonne beginnt zu brennen. Der nächste Krater, Deseada, liegt auf fast zweitausend Metern Höhe. In der dünnen Luft ist das Panorama wortwörtlich atemberaubend. Es ist Zeit für eine Pause. Einer Fata Morgana gleich schwebt der Teide auf Teneriffa über den Passatwolken. Die Inseln La Gomera und El Hierro ragen wie steinerne Karavellen aus dem blauen Atlantik auf.
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Von wegen »vom Schuhputzer zum Millionär«
Ein Bummel durch Gran Canarias Hauptstadt Las Palmas
Früher Morgen an der Playa de las Canteras, dem drei Kilometer langen Stadtstrand von Las Palmas, der einzigen wirklichen Großstadt der Kanarischen Inseln. Ein natürliches Riff schützt die riesige Badewanne der Hauptstadt vor der Brandung des Atlantik. Still, wie in einer sanft geschwungenen mediterranen Bucht, glänzt das Wasser im Licht. Frühaufsteher joggen durch den Sand, machen Gymnastik in der Morgensonne, bevor sie ein Bad in den blaugrünen Fluten wagen. Vor der Nische mit der Madonna schlagen Passanten das Kreuzzeichen. Fischer werkeln an ihren Booten herum. Die ersten Flaneure schlendern die Promenade entlang. Die alten Männer haben bereits Posten auf ihren angestammten Bänken bezogen, um zu schwatzen und das Strandleben zu beobachten. Ein tiefer Frieden liegt über der bahía . Es ist Sonntag, und die meisten Bewohner der Hauptstadt schlafen sich noch aus.
Das südliche Ende des Hafenviertels Santa Catalina, das von zwei Seiten vom Atlantik begrenzt wird, geht in die Ciudad Jardín mit dem Parque Doramas über. Direkt an dieser grünen Lunge der Hauptstadt liegt das Traditionshotel Santa Catalina,
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seit 1904 die erste Adresse von Las Palmas. In der ehrwürdigen Herberge im kolonialen Stil wohnen nicht nur solvente Privatreisende, sondern auch allerlei Prominenz und Staatsgäste. Stilvoller als hier kann man in Las Palmas nicht absteigen. Direkt gegenüber, im Pueblo Canario, sind die ersten Besucher eingetroffen. Das im Stil eines kanarischen Gutshofes gebaute Ensemble ist
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