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Lesereise Kulinarium - Italien

Lesereise Kulinarium - Italien

Titel: Lesereise Kulinarium - Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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Welt, sie reden vom Fernsehen, von Fußballstars und Lottozahlen. Politische Diskussionen biegt Antonio ab, er will keinen Streit.
    Die Kaffeebar ist kein Ort der Erregung, sondern der Erholung, von morgens früh bis in die Nacht. Man isst dort zum Frühstück hastig ein Hörnchen und schlürft einen cappuccino , der durch die aufgeschäumte Milch braun ist wie eine Kapuzinerkutte und deshalb auch nach dem Kapuziner benannt ist. (Wer nach elf Uhr noch immer cappuccino begehrt, entlarvt sich damit als Nichtitaliener.) Zu Mittag verspeist der eilige Gast ein belegtes Brötchen, eine Weißbrotschnitte oder ein Stück Kuchen. Will man sich mit jemand verabreden, nennt man eine Kaffeebar als Treffpunkt. Abends nach dem Kino oder dem Essen im Restaurant sucht mancher nochmals den Tresen auf, und zu jeder beliebigen Tageszeit schaut man zwischendurch auf ein paar Minuten herein, zu jeder beliebigen Gelegenheit. Als im Oktober 1998 Ministerpräsident Romano Prodi zurückgetreten war und beim Staatspräsidenten sowie im Parlament die Formalitäten erledigt hatte, ging er mit seiner Frau in Rom in eine Bar und trank einen frisch gepressten Orangensaft.
    Kaffeebars sind ein Gehäuse italienischer Lebensart und deshalb unersetzlich, man braucht bloß die Freunde zu fragen. Der Espresso in der Arbeitspause am Vormittag, »das ist der beste Augenblick des Tages«, sagt Franco. »Die Italiener leiden in Deutschland, wenn sie sich nicht zu einem schnellen Kaffee an den Tresen stellen können«, sagt Giusi. Und Costantino, der Heimatkundige, erinnert sich an die grottini in Rom, die Bars der Armen, in denen Wermut ausgeschenkt wurde, und an den sifone, den Schlauch, mit dem vor Zeiten aus der Gasflasche die Kohlensäure ins Mineralwasser geblasen wurde.
    Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Bars, aber man findet sie noch immer überall. Es gibt sie in Schulen und Kasernen, in Krankenhäusern und im Parlament, im Bahnhof, bei Gericht, bei jedem Markt, in jeder Straße fast. Man kommt vorbei und riecht den intensiven Duft, man sieht das Wasser aus dem Hahn ins Becken rinnen, man hört das Fauchen der Espressomaschine und das Klappern des Geschirrs, und man hört zwei harte Schläge auf Gummi oder Holz – Italien.
    Klaus Brill

Ein Volk von Wurstmachern
Warum die italienischen Wurstläden »norcineria« heißen
    Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum italienische Wurstläden norcineria heißen? Zumal das italienische Wort für Wurst salsiccia lautet. Und können Sie sich Klosterschwestern beim Wurstverkaufen vorstellen?
    Spurensuche im umbrischen Norcia: Ausgestopfte Wildschweinköpfe grüßen von Hauswänden, darunter baumeln dicke Schweinswürste wie Lianen, zartrosa, dunkelrot, mit schmaler Taille, flaschendick, daneben hängen Schinkenkeulen, furchterregend groß. Hinter den Theken hantieren Metzger mit Riesenmessern und Unterarmen teilweise so umfangreich wie eine ausgewachsene salami . Willkommen im Reich der Wurstmacher. (Vegetarier sollten um Norcia besser einen großen Bogen machen …)
    Die Verarbeitung von Schweinefleisch hat hier eine lange Tradition, geht zurück auf das Mittelalter. Um Norcia herum gab es ausgesprochen weite Wälder, viele Eichen und piani , Hochebenen. Die umbrischen Bauern nutzten diese piani zur Schweinezucht – im bäuerlichen Umbrien gilt bis heute das Schwein als das Fleisch schlechthin –, die Eicheln zur Schweinemast. In den langen, einsamen Wintern beschäftigten sie sich intensiv mit Aufzucht, Anatomie und Schlachtung der Tiere, spezialisierten sich auf bestimmte Heilmethoden. Sogar eine in ganz Europa berühmte Chirurgenschule gab es, zum Studium der Anatomie der Tiere mit der rosa Schnauze. Bald machte den Metzgern aus Norcia beim Pökeln und Trocknen von Schlachterzeugnissen und Würsten von gehacktem Fleisch niemand mehr etwas vor. Ihr Spezialrezept – Vegetarier bitte weglesen: Sie ließen die Schweine vor der Weiterverarbeitung komplett ausbluten und abkühlen. Eine ihrer besonderen Spezialitäten: mazzafegato , Schweineleber, Pinienkerne, Rosinen, Orangenschale und Zucker. Die umbrischen norcini waren geboren. Der Stadtpatron höchstpersönlich gab seinen Segen dazu: Den gesunden Geist im gesunden Körper empfahl der heilige Benedikt mit großen Gläsern Wein und nahrhaften Würsten zu stärken – und so kommt es, dass man in Norcia im Kloster Monastero della Pace bei den Benediktinerinnen bis heute nicht nur Kräuterlikör und Heiligenbilder, sondern auch Würste

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