Lesereise Kulinarium - Spanien
dem spanischen Markt, der für ungefähr hundert Millionen Flaschen gut ist, hat zwar immer noch das andere große Traditionshaus, Codorníu, die Nase vorn; als Exporteur aber hat die Gruppe Freixenet, zu der eine ganze Reihe weiterer Kellereien gehören, quasi eine Monopolstellung erreicht. Nicht zur puren Freude ihrer Konkurrenten.
Der Penedès ist ein bukolisches Hügelland westlich von Barcelona, im Norden begrenzt von der bizarren Silhouette des Montserrat-Massivs. Katalanisch ausgesprochen klingt in dem Wort Penedès das pa an, das Brot, das etymologisch darin steckt. Hier wurde früher vor allem Getreide angebaut; Wein lediglich für den Hausgebrauch. Lang war der Weg vom täglichen Brot zu jenem Getränk, das vornehmlich bei festlichen Gelegenheiten getrunken, wenn nicht direkt aus dem Stöckelschuh einer vor Vergnügen kreischenden Dame geschlürft wird. Aber halt! Fehlt nicht dem cava eben das Glitzer-Image, jene Spur von Glamour, die den Champagner auszeichnet? Und ist es nicht andererseits gerade das Ziel der Cava -Hersteller, die Flöte zu etwas Alltäglichem zu machen? In und um Barcelona ist es durchaus Sitte, an einem regnerischen Dienstag im April eine copa de cava zu bestellen, und viele Leute trinken ihn auch gern zum Essen, besonders zu Meeresfrüchten. Die prunkvollen TV -Spots von Freixenet, für die Stars wie Gene Kelly, Paul Newman, Sharon Stone oder Kim Basinger aufgeboten wurden, werden aber nach wie vor ausschließlich in der Weihnachtssaison ausgestrahlt. Den Anfang hatte übrigens Liza Minnelli gemacht: 1977. Damals war Freixenet, nach heutigen Maßstäben, noch ein Zwerg, und der gesamte Cava -Export belief sich auf gerade mal fünf Millionen Bouteillen (im Rekordjahr 1999: hundertdreißig Millionen).
Seither ist natürlich auch Fremdkapital ins Cava -Geschäft geflossen; die beiden Großen aber sind bis heute fest in Familienhand. Bei Freixenet ist es der Clan Ferrer, der ein bis nach Kalifornien und Mexiko verzweigtes Imperium aufgebaut und mit der Marke Henri Abelé auch in der Champagne Fuß gefasst hat. Bei Codorníu sind es die Nachfahren jenes Mannes, dem es 1872 als Erstem im Penedès gelungen war, Schaumwein nach der méthode champenoise herzustellen: Don José Raventós. Damals sprach man noch von champán ; das Wort cava , das eigentlich den Weinkeller meint, hat sich – unter französischem Druck – erst in jüngerer Zeit eingebürgert. Seit 1994 bleibt auch die Bezeichnung méthode champenoise den Weinen aus dem betreffenden Anbaugebiet vorbehalten und im Penedès muss man sich mit dem Hinweis elaboración tradicional begnügen.
Wichtig für das Verständnis von Familienclans wie den Ferrer (Freixenet) und den Raventós (Codorníu) ist die katalanische Tradition, den männlichen Erstgeborenen, den hereu (sprich ere-u), als Allein- oder zumindest Haupterben einzusetzen. Bei Codorníu kam es daher in den achtziger Jahren zum Zerwürfnis. Der von der Familie verstoßene hereu gründete sofort ein neues Unternehmen, Raventós Blanc, und ließ es sich nicht nehmen, den Neubau direkt vis-à-vis vom Stammhaus in Sant Sadurní d’Anoia zu errichten. Es sind die beiden eindrücklichsten Bauwerke in der Gegend. Verkörpert die Anfang des 20. Jahrhunderts vom berühmten modernistischen Architekten Puig i Cadafalch errichtete bodega von Cordorníu die Tradition, so ist die 1986 von Bach & Mora für Raventós Blanc entworfene Anlage das bisher beste Beispiel zeitgenössischer Architektur im Dienst des cava .
War nun der Familienzwist bei Codorníu in baukünstlerischer Hinsicht bereichernd, so gibt es doch Stimmen, die meinen, für das Traditionshaus habe er sich geschäftlich nicht ausgezahlt. Entschied doch derweilen die Freixenet-Gruppe das Exportrennen für sich. Daran änderte es auch nichts, dass Codorníu 1996 gegen seinen Konkurrenten gerichtlich vorging und 1999 in der sogenannten guerra del cava Recht erhielt. Ein Gericht sah es als erwiesen an, dass Freixenet Millionen Flaschen vor Abschluss der vorgeschriebenen Reifezeit von neun Monaten auf den Markt gebracht hatte, und verurteilte das Unternehmen wegen unlauteren Wettbewerbs zu einer millionenschweren Entschädigung.
Derlei ist nicht gerade geeignet, das Ansehen der Branche zu erhöhen – zumal Kenner auch bei einem wohlfeilen cava eine Reifezeit von mindestens zwölf Monaten erwarten. Anspruchsvolleren Herstellern erscheinen die Bestimmungen des »consejo regulador del cava« ohnehin als zu locker: »Aber die
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