Lesereise Kulinarium - Spanien
katalanische Regierung«, so die Besitzerin einer kleinen Kellerei, »schert sich einen Teufel um das Prestige und um die Anliegen der unabhängigen Hersteller. Sie will bloß mit Produktionszahlen auftrumpfen. Deshalb diese Langmut dem rücksichtslosen Dumping und dem Operieren an den Grenzen der Legalität gegenüber.« Dazu passt, dass die Denominación de Origen Penedès nur achtundzwanzigtausend Hektar Rebberge umfasst, die D.O. Cava hingegen deren vierzigtausend.
Bei Freixenet macht man denn auch keinen Hehl daraus, dass die Firma »nur« über siebenhundert Hektar eigene Weinberge verfügt und in ganz Spanien jährlich zweiundsechzigtausend Tonnen Weintrauben sowie eine ähnliche Menge Weinmost hinzukauft. »Aber es ist nun einmal nicht dasselbe«, so wieder unsere temperamentvolle Gewährsfrau, »seinen eigenen Weinberg zu bearbeiten und zu versuchen, den Körper eines cava ohne Zucker und sein Bouquet ohne Zusätze zu verbessern, wie seinen Most bei irgendeiner Kooperative einzukaufen, sich an die vier gesetzlichen Mindestvorschriften zu halten und das fertige Produkt mit einer schönen Etikette versehen zu lancieren.« Gerade die großen Hersteller produzieren ja übrigens längst nicht nur cava : »Auf einer Flasche steht Muscadet, auf einer Chardonnay, auf einer dritten Pinot noir; aber schmecken tun sie alle gleich.«
Den Charakter des cava prägt fast immer ein Verschnitt aus den drei einheimischen Rebsorten Xarel.lo, Macabeu und Parellada, wobei man die Cuvée heute oft noch mit einem Anteil Chardonnay geschmeidiger zu machen versucht. Entscheidend für die Qualität ist sodann die Reifung – maximal fünf Jahre: Nur die Engländer trinken ihren sparkling wine gern auch ein bisschen »over the hill«. Den Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten cava macht indessen die Autolyse aus: Beim Remuage, dem früher von Hand und heute maschinell auf sogenannten Girasol-Pulten vorgenommenen Schütteln und Drehen der auf dem Kopf stehenden Flaschen, sinken die Hefezellen allmählich in den Flaschenhals und setzen dabei ihr Endoplasma frei, das für den Körper des Weines unerlässlich ist. Der Flaschenhals mit den Rückständen wird dann tiefgefroren, ein computergesteuertes System saugt das Sediment ab und mischt dem Wein dafür den sogenannten licor de expedición bei. Beim »brut nature« darf dieser theoretisch keinen Zucker enthalten, für einen »brut« sind bis zu fünfzehn Gramm, für einen semi-seco happige fünfzig Gramm pro Liter zugelassen. Solch süße Ware geht dann überwiegend nach Deutschland.
Ich war im Mietwagen unterwegs zu der kleinen, feinen Kellerei Rovellats etwas außerhalb von Vilafranca, als es plötzlich »pt-dm-pt-dm-pt-dm« machte: Ich hatte einen Platten. Da das Auto keinen Reservereifen hatte, musste ich per Taxi weiter. Am liebsten wäre ich gleich auf dem schönen alten Gut geblieben. Rovellats ist cava in Reinkultur: das Herrenhaus mit seinem Park, die romanische Kapelle, die Kelleranlagen, einzigartig durch ihre radiale Anordnung. Aber leider sind Journalisten, schon gar wenn sie eine Panne hatten, immer in Eile. Ich hatte noch das Glas prickelnde Gran Reserva in der Hand, als schon das nächste Taxi vorfuhr. Sein Chauffeur sollte mir wenig später eine Lektion in Lebensart erteilen, wie sie einem Weingebiet wie dem Penedès wohl ansteht.
»Um drei muss ich in Sant Sadurní sein. Holen Sie mich bitte um zehn vor im Restaurant Can Juan wieder ab«, verabschiedete ich mich von ihm. Aber dann ließ er bis zehn nach drei auf sich warten. »Ach wissen Sie«, meinte er, von keinerlei Gewissensbissen geplagt. »Ich habe zufällig beobachtet, dass Sie das Restaurant kurz vor zwei betraten. So schnell kann man nicht essen. Außerdem saß ich um zehn vor drei selber noch bei Tisch.«
Unter den zweihundertneunundsechzig registrierten Cava -Herstellern war mir von einem Kenner neben Rovellats auch das Haus Llopart empfohlen worden. In dem gepflegten, von vierzig Hektar eigener Rebberge umgebenen Neubau kann man sowohl modernste Produktionsanlagen als auch einige Museumsstücke bewundern, besonders schön etwa eine handbetriebene Verkorkungsmaschine. Sogar den Urahnen des heutigen Remuage-Pults zeigte mir Vater Llopart: einen Sandkasten, wie ihn im 17. Jahrhundert Dom Perignon ersann, und in den die Flaschen kopfvoran gesteckt wurden, um dann während zwei Wochen täglich einmal um einen Achtel gedreht und geschüttelt zu werden.
Das andere Extrem ist Freixenet.
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