Lesereise Malediven
traditionelle Heilverfahren des Inselreichs im Indischen Ozean mit Hightech-Wellness zum »Sea Escape« – und zum maledivischen Monsun-Ritual. Unter anderem.
Auf den Sandwegen zwischen den Pavillons huschen Einsiedlerkrebse umher. Die Sonne sinkt, man reicht mir Ingwertee.
Wie der Monsun, die halbjährlich wechselnde Luftströmung, die im Sommer feuchtwarme Luft über den Indischen Ozean zum Subkontinent transportiert und mit starken Regenfällen einhergeht, soll die folgende Behandlung meine Haut mit Feuchtigkeit sättigen, verspricht man mir. Und weil sich der Mensch im Wasser wohlfühlt, soll sie nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die Gemütsverfassung positiv wirken. Die ist zwar im Moment ohnehin recht gut, aber das bedeutet schließlich nicht, dass sich die Lebensfreude nicht noch steigern ließe.
Man könnte sich natürlich fragen, ob man auf einer Malediveninsel wirklich sein letztes Geld ins Spa tragen muss, um sich wohlzufühlen. Schließlich ist das Leben hier auch im Liegestuhl besser zu ertragen als an vielen anderen Orten. Die Spa-Manager der Resorts haben sich diese Frage ebenfalls gestellt und eine sinnige Antwort gefunden: Die Behandlung im Spa, so argumentieren sie, vertiefe die Erfahrung des Landes mit allen Sinnen. Mit schwedischer oder Thai-Massage ist es in diesen Wohlfühlzentren nämlich nicht getan. Hier werden Wege gefunden, das Land und seine Reichtümer in Körperpackungen, Facials und sonstige Pflegemaßnahmen zu übersetzen; der Gast soll die Kostbarkeiten des Inselreichs riechen und spüren. Der hat seinerseits entschieden, dass ein Resort ohne Spa heute eigentlich nicht mehr vorstellbar ist. Auf Iru Fushi im Noonu-Atoll hat dieser Vorgabe folgend unlängst ein zwanzig separate Behandlungspavillons zählendes Spa eröffnet. So groß sind anderswo ganze Hotels.
Auf der Spa-Insel Hura Fundhu gehören zum Wohlfühlen so exotische Maßnahmen wie ein zwei Tage dauerndes Ritual mit dem verführerischen Namen »Verzaubertes Riff – Eine Reise zur Gelassenheit«. Packungen und Peelings werden dabei von tibetanischen Gesangsgefäßen, Atemübungen und Flammenmeditation flankiert. Zu dieser preisgekrönten Anwendung fehlen mir neben der Zeit vor allem die Mittel; außerdem ist mir Tibet zu weit weg. Und so beginnt mein Anwendungsreigen mit einem wohlriechenden Peeling aus gemahlenem Sandelholz. Kela Gana heißt es auf Dhivehi. Mit Rücksicht auf die in der Regel nur eingeschränkt sprachkundigen Gäste folgen alle weiteren Erläuterungen auf Englisch: Das Sandelholz-Peeling befreie den Körper von abgestorbenen Hautschuppen, glätte somit die Haut und mache sie bereit für den Monsunregen, so erfahre ich. Der schüttet sich hier nicht aus wie ein tropisches Unwetter, sondern rieselt sanft aus den sieben Köpfen der Vichy-Dusche – wie sacht fallende Regentropfen, die den Körper beleben und den Geist entspannen. Richtung und Intensität der Regenfälle kontrolliert die Therapeutin so, dass der Kreislauf angeregt wird. Der Effekt ist der einer leichten Ganzkörpermassage, die mit den Wohlbefinden spendenden Eigenschaften des warmen Wassers verbunden wird. Trockene Haut soll die Dusche annehmen wie die Erde einen kräftigen Monsunregen, der abschließende Guss aus Rosenwasser erfrischen und beleben.
Die horizontale Vichy-Dusche hat eine ähnlich lange Anreise hinter sich wie ich: Als therapeutische Meerwassermassage und als Remineralisierungsbehandlung ist sie auch in gemäßigten Klimazonen bekannt. Ihren Ursprung hat sie im französischen Vichy, das ihr auch den Namen gegeben hat. Ansonsten aber ist hier alles anders. Insbesondere das Wasser.
Der Blick nach vorn zeigt türkisfarbenes Meer. Als ich bäuchlings auf die Behandlungsliege sinke, schaue ich durch eine im Boden eingelassene Glasplatte ins glasklare Wasser. Ein Seestern schaut zurück, ein Trompetenfisch zieht durchs Bild. Die Hauptattraktion der Inseln – ihre Unterwasserwelt – ist eben zu schön, um auch nur minutenlang unbeachtet zu bleiben. Schon deshalb muss ich mir versagen, während der Massage einzuschlafen.
Die traditionelle Heilkunst der Malediven basiert auf der Annahme, dass Krankheiten ebenso wie mangelhaftes Wohlbefinden aus einem Ungleichgewicht der Kräfte im Körper resultieren. Die müssen wieder in die Balance gebracht werden. Dieses innere Gleichgewicht ist in Anlehnung an jene traditionellen Vorstellungen auch das Ziel des Monsun-Rituals. Es sei so konzipiert, dass entspannende und belebende
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