Lesereise Malediven
Vier-Sterne-Bereich sind immer noch da, ebenso wie die Spezialisten: Hotels, die sich ganz auf Surfer oder Taucher konzentrieren. Heute aber denkt man bei der Planung neuer Hotels am liebsten an Gäste mit soliden Ressourcen: Leute, die abends schmerzfrei die zweite Flasche Wein bestellen und es sich auch leisten können, bei Verspannungen jeden Tag aufs Massagebett im Spa zu sinken. Für zweitausend Euro kann man eine Nacht auf den Inseln verbringen oder auch eine Woche. Wesentlich günstiger wird es nicht. Wer das Besondere sucht, kann dafür in diversen Resorts der Luxusklasse die Megasuite für fünfzehntausend Dollar pro Nacht buchen.
Mit solchen Inseln, solchen Stränden, solchen Tauch- und Schnorchelgründen kann man sich eben vieles erlauben. Neben der Preispolitik zum Beispiel eigenwillige Beschneidungen der elementaren Bedürfnisse vieler Gäste. So denken sich die Tourismusplaner auf Male: Ihr blassen Fremden wollt euch zuschütten auf unseren schönen, reinen Inseln? Könnt ihr machen. Aber nur in euren Resorts, die euch dafür zwölf bis fünfzehn US -Dollar pro Glas Wein abknöpfen, zuzüglich Steuern. Uns bleibt mit dem Zeug vom Leib. Wenn ihr es im Koffer einschleppt, packen wir es am Flughafen bei der Einreise gleich wieder aus. Keine Sorge, eure Whisky- und Wodkaflaschen stellen wir gut weg. Wenn es nach Hause geht, könnt ihr sie wieder mitnehmen. Das ist die zweite schlechte Nachricht.
Eine gute gibt es aber auch. Die Preise funktionieren hier zwar wie überall sonst als Filter. Der soll dafür sorgen, dass der Tourismus so übersichtlich bleibt, dass seine schädlichen Auswirkungen sich in relativen Grenzen halten. Bei gleichem wirtschaftlichen Nutzen, wohlgemerkt. Eine Gratwanderung, von der man zwar hoffen kann, dass sie einigermaßen funktioniert – aber zugleich das Gegenteil befürchten muss. Geld hat seinen eigenen Magnetismus, und die Zahl der Inseln, die in den nächsten Jahren für den Tourismus erschlossen werden sollen, lässt die ursprünglich angedachte Zurückhaltung kaum mehr erkennen.
Dennoch hat man sich als Urlauber schließlich mit allem abgefunden: Für den Alkohol ist ein Sonderbudget in der Haushaltsplanung locker gemacht. Das schlechte Gewissen, sich ausgerechnet in dem wehrlosen Land, dem das Wasser bis zum Hals steht, am ökologischen und soziokulturellen Unglücksfall Tourismus zu beteiligen, ruht an einem wenig besuchten Rand des Bewusstseins. Zeit also, sich Problemen der Luxusklasse zu stellen. Wo schlafen? Und vor allem: Wie? Wer Robinson-Feeling sucht, braucht eine kleine Insel. Idealerweise liegt sie ein wenig abseits, vielleicht in einem entlegeneren Atoll. Rund um Mal é befindet sich auf nahezu jeder Insel ein Resort. Hotelinseln in Sichtweite sind kontraproduktiv, wenn man sich gestrandet fühlen möchte. Wer hingegen viel Abwechslung braucht, ist mit einer großen Insel gut bedient. Ist das Wassersportangebot ausgeschöpft, bleibt hier immer noch eine Menge Platz für meditative Strandspaziergänge.
Der Klassiker im maledivischen Urlaubsrepertoire ist die Wasservilla, die auf Stelzen in der Lagune ruht und neben einer kühlenden Brise selbst während der größten Hitze des Tages auch Meerblick nach allen Seiten bietet: Sinnbild des Traumes von Sonne, Wärme, Meer und Luxus. Meist erreicht man sie über einen hölzernen Steg, manchmal auch nur per Boot. Unterwegs sieht man links und rechts bunte Fische durchs Wasser wirbeln, vielleicht einen kleinen Rochen oder einen jugendlichen Hai vorüberziehen. Und im Schlafgemach erlaubt vielleicht sogar eine in den Boden eingelassene Glasplatte visuelle Schnorchelerlebnisse bei voller Bekleidung.
Über ein paar Stufen an der Terrasse lässt man sich ins Meer sinken. Das ist allerdings nicht immer so ruhig, wie es aussieht. Nicht selten verbirgt sich gezeitenbedingt eine recht starke Strömung unter der glatten Wasseroberfläche, und schneller, als einem lieb ist, sieht man die Villa entschwinden. Also: Besser erst einmal gut am Geländer festhalten und die Strömungsverhältnisse testen. Selbst wenn das Wasser bei Ebbe nur bis zur Hüfte reicht, kann ihm watend nur entfliehen, wer Badeschuhe trägt. Die am Meeresboden herumliegenden toten Korallen haben scharfe Kanten. Zwei Wege führen dann aus dem Wasser: die helfende Hand eines besser beschuhten Mitmenschen. Oder die eigenständige Rettung, die allerdings Nerven erfordert. Dabei lässt man sich kampflos aus der Lagune ziehen, um jenseits des Riffs auf die
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