Lesereise Mallorca
die Palette erweitern wollte.
Der Gründervater hatte einst auf elegante Ausgehschuhe gesetzt. Die werden heute bei Cabrit und Apache gar nicht mehr hergestellt. Die letzten Paare stehen hochglanzpoliert hinter Glas in der kleinen Vitrine im Chefzimmer – als Erinnerungsstücke. »Opa hatte es nicht so mit dem Wandern«, erzählt Xesca. »Und Papa wandert gerne.« Er hat Cabrit seinerzeit mit neuem Leben erfüllt. »Zicklein« bedeutet das, und zeitweise war die Wohnzimmermanufaktur aus Lloseta auf Mallorca Marktführer für Wanderschuhe in Spanien. Noch heute hat die Marke unter Kennern Klang. »Früher«, erzählt Pere Comas Bestard, »wog ein einzelner Wanderschuh anderthalb Kilo. Heute bringt das gesamte Paar weniger auf die Waage. Nur noch ein Kilo oder darunter. Und Wandern ist zur Breitenbewegung geworden. Das ist noch immer ein Markt.«
Comas Bestard ist selber begeisterter Spaziergänger. Jedes Wochenende ist er vier, fünf Stunden auf Feldwegen und schmalen Pfaden im Gebirge unterwegs – und hat diebische Freude an den Reaktionen anderer Menschen, wenn er im Beisein Fremder nach seinen beiden Pointer-Rüden ruft. Der eine ist rot und heißt Zapatero. Das bedeutet auf Spanisch nicht nur »Schuhmacher«, sondern war auch der Familienname des langjährigen sozialistischen Regierungschefs, José Luis Rodriguez Zapatero. Der andere ist schwarz und hört auf den Namen Rajoy. Das bedeutet nichts weiter, aber ist ganz nebenbei der Nachname des langjährigen konservativen Oppositionsführers und nunmehrigen Regierungschefs, dem nichts wichtiger schien, als Zapatero nachzufolgen …
Vor allem die Wanderschuhe aus der Familienfertigung sind aus besonders dickem Leder genäht. Um diese Stärke zu erreichen, müssen die nordspanischen Rinder zwei bis drei Jahre alt werden. Das ist deutlich jenseits des üblichen Schlachtalters. Und manchmal sind dann schon Wunden in der Haut, sodass nur noch wenig vom Leder zu verwenden ist. Die Schuhe verteuert das, was die Marktchancen gerade in der Krise zunächst verschlechtert: »Aber immerhin, die Stammkunden kaufen alle zwanzig Jahre ein neues Paar«, sagt Don Pere nicht ohne Sarkasmus.
In seiner kleinen Fabrik beschäftigt er zehn Mitarbeiter. Einer stanzt von Hand die Grundform aus den gebeizten und zum Teil gefärbten Lederbahnen und muss die unter seine Maschine immer wieder neu so ausrichten, dass möglichst wenig Verschnitt anfällt. Ein paar Tische weiter wird genäht, auf geformte Rohlinge in den unterschiedlichen Schuhgrößen aufgezogen, dann mit der Sohle verbunden, geklebt, wieder genäht, imprägniert. Und als Letztes werden die Schnürsenkel einzogen – auch von acht weiteren Mitarbeitern, die in Heimarbeit ergänzen, was ohne Fabrikarbeitsplatz möglich ist.
Xesca ist optimistisch, dass die Familienfirma nicht nur erhalten bleibt, sondern wieder wachsen wird: weil sie die Ideen jetzt zusammenwerfen – ihre und diejenigen, die Papa beim Wandern mit Zapatero und Rajoy kommen. Und weil die Schuhe von so großer Qualität sind und sich das gerade in Zeiten von Billigprodukten und Massenware umso mehr herumsprechen sollte.
Neulich zum Beispiel klopfte jemand an der halb offenen Fabriktür in der Calle Cristòbal Colom in Lloseta. Er sei durch Zufall in der Gegend, mache Urlaub auf Mallorca. Und er habe da mal eine Bitte. Er habe Cabrit-Wanderschuhe gekauft, und nun seien die Sohlen abgelaufen, im Grunde kaum noch vorhanden. Aber ansonsten sei der Schuh großartig. Ob man ihn mal eben in der Fabrik neu besohlen könne? Am besten bitte mit den Sohlen, die original dafür vorgesehen waren – solchen wie denen, die jetzt so heruntergelaufen sind. »Sie sehen«, hat er gesagt. »Meine Lieblingsschuhe. Ich könnte neue kaufen, aber ich möchte diese behalten.« »Si«, und »claro«, hat Don Pere geantwortet – und den Schuh mal eben neu besohlt. Wann er den denn gekauft habe, wollte er von dem Mann noch wissen: »Ach, schon vor zwanzig Jahren«, hat der gesagt: »Die Dinger halten ewig.« Genau das ist es. Des Fabrikanten Glück und Leid zugleich.
Riese zwischen den Windmühlen
Dreh- und Angelpunkt: Mallorcas Inselflughafen ist ein Gigant – und das zeitweilige Zuhause Gestrandeter
Durch diesen Trichter müssen sie alle, durch stählerne Arme, die nach den ankommenden Flugzeugen greifen. Sie müssen über breite lange Korridore, können entscheiden, ob sie selber gehen oder sich auf Rollbändern elektrisch an allen anderen vorbeigleiten lassen wollen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher