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Lesereise Nordfriesische Inseln

Lesereise Nordfriesische Inseln

Titel: Lesereise Nordfriesische Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine von Soden
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verlieren, das sie wie ein Taucheranzug vor Kälte schützt.
    Schweinswale nehmen ungleich höhere Tonfrequenzen wahr als ihr Erzfeind, der Mensch. Schallwellen leiten sie durch die Unterwasserwelt, indem sie Schallimpulse aussenden, deren Echo ein »Hör-Bild« entstehen lässt. Zudem verständigen sich Schweinswale durch spezielle Signale, ihre »Klicklaute«, mit denen sie um Hilfe rufen und sich gegenseitig vor Gefahren warnen.
    Im Jahr 2000 richtete das Land Schleswig-Holstein westlich vor Amrum und Sylt bis zur Zwölf-Seemeilen-Grenze ein Walschutzgebiet ein – das erste seiner Art in Europa. Die Auflagen sahen vor: Abschaffung der Stellnetzfischerei, Geschwindigkeitsbegrenzungen für Schiffe sowie Verbote für Jetskis, um den Unterwasserlärm zu reduzieren, der das Gehör der Wale ruiniert. Drei Jahre später beschlossen die Umweltminister der Nordseeanrainerstaaten, den Beifang von Schweinswalen »auf ein Viertel« (wieso nicht auf weniger?) zu minimieren und einen »Rettungsplan« für die Schweinswale zu ersinnen. Doch Papier war schon immer geduldig.
    In neue Seenot geraten die Schweinswale inzwischen durch Offshore-Windparks. Der weltweit größte in der Nordsee ist vor der Doggerbank geplant. Der Lärm der Stromerzeuger dröhnt ins Gehör der sensiblen Tiere, als ob an unseren Ohren ein Düsenjäger vorbeikrachte. Zur Verminderung der Schallwirkung fordern Experten »Blasenvorhänge«.
    Vor Amrum und Sylt werden keine Windräder in die Nordsee gerammt – dank Walschutzgebiet, der Kinderstube unserer Freunde. Mögen die Schweinswale hier noch viele Geburtstage feiern!

Zu Gast bei Peter Suhrkamp in Kampen auf Sylt
Erinnerungen von Max Frisch & Co.
    Wildrosenduft betäubt jeden Neugierigen am Rande der Anhöhe hinunter zum Watt vorm Gartentor des letzten Anwesens am Hoogenkamp. Umfriedet von einem mit Gräsern bewachsenen alten Steinwall ist es immer noch, doch eine eingewachsene hohe Hecke wehrt unliebsame Blicke ab. Kein Namensschild. Keine Klingel. In Kampen, dem Capri des Nordens, gibt man sich distinguiert. Viele Nachbargrundstücke verströmen die Aura eines unbewohnten Hochsicherheitstrakts. 1937, als der Schriftsteller Ernst Penzoldt von Peter Suhrkamp nach Sylt eingeladen worden war, strahlte das Friesenhaus eine gänzlich andere Atmosphäre aus – gemütlich und behütend, der Garten »summend von Bienen«, mit einem separaten Musikpavillon, dem »Pilz«. In dem reetgedeckten Kleinod fand der Maler Siegward Sprotte 1945 Unterschlupf. Er war mit dem Fahrrad aus dem zerbombten Potsdam nach Sylt geflohen. »… Ich suchte Algen am Strand. Steine und Muscheln sammelte ich und pflückte Gräser und Strandhafer. Und in allem vernahm ich mich selbst …« Mit diesen Reminiszenzen wird man heute am Eingang der Galerie Sprotte in der Alten Dorfstraße empfangen. Der Musikpavillon des Suhrkamp-Hauses ist vor einigen Jahren der Spekulation zum Opfer gefallen. Die Bodenpreise in Kampen besetzen deutschlandweit den vordersten Rang. Mit offenen Armen begrüßte seinerzeit »Marlützken«, Suhrkamps Haushälterin Margarete Marlützke, die anreisenden Verlagsgäste. Sie kochte für sie, tippte ihre Manuskripte.
    Ein Taubenschlag war Suhrkamps Adresse nie. Dieser Eindruck jedoch wird erweckt, wenn hier und da vom »Autorenhaus« die Rede ist. So fanden in Kampen weder Lektorensitzungen statt, noch war der Verleger selbst je zugegen, wenn sich einer seiner Freunde oder Mitarbeiter für ein paar Wochen unter seinem Dach einquartiert hat. Suhrkamps Gästeliste beschränkte sich zudem auf einige wenige handverlesene Namen. Wie Ernst Penzoldt eben.
    Die beiden Männer kannten einander aus der Berliner Kulturszene, funkten von Anfang an auf gleicher Welle. Suhrkamp, damals noch Redakteur bei Ullstein, beeindruckte Penzoldts Physiognomie, die ihm wie »aus einer anderen Welt« erschien. Penzoldt faszinierten Suhrkamps Augen, denen er »die Eigenschaft mancher Sterne« zuschrieb, »ein Glitzern nämlich, das wechselte«. 1933, am Tag der Machtergreifung der Nazis, berief Samuel Fischer Peter Suhrkamp in seinen Verlag, Ernst Penzoldt wurde Hausautor. Seine »Powenzbande« (heute vermutlich nur noch germanistischen Altgardisten ein Begriff) hatte dem Franken kurz zuvor einen Riesenerfolg beschert. Mit Gustav Knuth und Ruth-Maria Kubitschek wurde der Schelmenroman 1973 für die ARD verfilmt.
    Aus dem fast gleichaltrigen Gespann, Suhrkamp Jahrgang 1891, Penzoldt Jahrgang 1892, entwickelte sich eine intensive Freundschaft.

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