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Lesereise Prag

Lesereise Prag

Titel: Lesereise Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brill
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Narzissmus, an seinen – damals noch ziemlich verborgenen – Widerwillen gegen uns Übrige, die er offenbar alle in einen Abfallcontainer mit der Aufschrift ›Linksintellektuelle‹ steckte.«
    Václav Klaus wurde rasch der Finanz- und Wirtschaftsexperte der Wendebewegung und gründete aus ihr heraus 1991 die konservativ-liberale Demokratische Bürgerpartei ( ODS ). Als deren Vorsitzender war er zunächst Premierminister, dann Parlamentspräsident; seit 2003 ist er Havels Nachfolger als tschechischer Staatspräsident. »Er war sehr arbeitsam, mal sehr liebenswürdig, mal absolut unerträglich«, schreibt Havel über diesen Mann, der neben ihm die zweite Zentralfigur der tschechischen Politik seit 1989 ist. Die beiden standen kulturell und politisch stets auf verschiedenen Positionen, wiewohl Václav Havel von der ODS zum Präsidenten gewählt wurde und auch manches Konservative an sich hat. In jüngerer Zeit unterstützte er nachhaltig die tschechischen Grünen, die eher dem liberalen als dem linken Spektrum zuzurechnen sind und zuletzt bei der Parlamentswahl 2010 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten.
    Als Václav Klaus in den neunziger Jahren die Regierung führte und nach Manier des britischen Premiers jeden Mittwoch für eine Stunde auf die Burg kam, um mit dem Präsidenten Havel die Aktualitäten zu besprechen, da wurden dem bald diese Stunden am Mittwoch wegen der persönlichen Nadelstiche seines Gegenspielers zum Albtraum. »Sie hatten nämlich immer denselben Verlauf: fünfzehn, zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten ein sehr freundschaftliches Gespräch über alles Mögliche, und dann jener wichtige Augenblick, in dem der Schlag kommt, dessentwegen das Ganze überhaupt stattfand, nämlich irgendein Vorwurf über mein Verhalten in der letzten Zeit. Es war immer Unsinn, aber es ging auch gar nicht darum, dass es Sinn hatte; es ging darum, mich in die Defensive zu bekommen.« Auch andere »Hinterhältigkeiten« der ODS sowie der später regierenden Sozialdemokraten und ihres exzentrischen Führers Miloš Zeman bereiteten Havel Verdruss, wie er schreibt.
    Ebenso verdarben ihm ästhetische Alleingänge und Verirrungen der Prager Burg-Verwaltung sowie die Missgunst gewisser »Säuerlinge« des Journalismus mehr als einmal die Laune im hohen Amt, dessen Ausübung im Ganzen ein Vergnügen sowieso nicht war. Der alte Kneipengänger Havel empfand es auch als einschränkend, dass er – wie bittere Erfahrung ihn lehrte – nicht mehr beliebig Scherze machen konnte und kaum noch Zeit für die alten Freunde fand, von denen mancher ihm darob böse war. Und bis in heutige Äußerungen hinein ist ihm die Verbitterung darüber anzumerken, wie gewisse Medien mit seiner zweiten Frau Dagmar Veškrnová, einer bekannten Schauspielerin, umgegangen sind.
    Nicht nur nahm man ihm übel, dass er sie überhaupt geheiratet hatte, noch ehe das Trauerjahr für Olga, die verstorbene Gefährtin seiner früheren Jahre, verflossen war. Dagmar Veškrnová wurde auch wegen ihres dominanten Auftretens kritisiert. In seinem Buch schreibt Havel nun, sie habe ihm mehrmals in kritischen Krankheitstagen durch beherztes Einschreiten das Leben gerettet. Ein Lungentumor und ein Darmdurchbruch zählten zu den Plagen, die er zu überstehen hatte, und jedenfalls das Lungenleiden führt der langjährige starke Raucher auch auf miserable Behandlung während seiner fünf Gefängnisjahre zurück.
    Doch heute ist sein »mehrfaches Sterben« für Václav Havel Vergangenheit. Und im Ganzen hat er den absurden Abenteuern seines Lebens durchaus etwas abgewonnen. So schließt er mit derselben Bemerkung, mit der er schon 1985 ein »Fernverhör« mit demselben Journalisten Karel Hvížďala beendet hatte: »Ich verdächtige mich, dass mir irgendwo ganz tief innen dieses ganze paradoxe Leben eigentlich schrecklich viel Spaß macht.«

Mit Kusshand regieren
Der staunenswerte Aufstieg des altböhmischen Fürsten Karel Schwarzenberg in der Prager Politik
    Der Untergang des Kommunismus hat in Prag den Handkuss wieder freigesetzt, und bis zum Palais Czernin ist er mittlerweile wieder vorgedrungen. Jedenfalls hat dort vor einiger Zeit, als im Großen Saal verdiente Freunde der Tschechischen Republik zu ehren waren, der Hausherr das erwartungsvolle Publikum damit verblüfft, dass er nach seinem Einzug zu den Klängen eines jugendlichen Bläserquintetts erst einmal einer Dame in der ersten Reihe lächelnd seine Huldigung auf den Handrücken hauchte. Er trug zum dunklen

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