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Lesereise Rom

Lesereise Rom

Titel: Lesereise Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brill
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ist nun einmal nicht nur der Zentralort der Apenninhalbinsel, sondern auch der Mittelpunkt der katholischen Christenheit. Drum hat es seinen eigenen Reiz, wenn eine Moschee, zudem die größte Europas, ihren Standort im Bannkreis des Petersdomes findet, jener größten aller christlichen Kirchen, die in ihrer Herrlichkeit nichts anderes zum Ausdruck bringt als den Anspruch des Papstes auf den Alleinbesitz der ewigen Wahrheit.
    Vom Vatikan ist der islamische Sakralbau indes gute fünf Kilometer entfernt, eingebettet in eine anmutige Grünzone am Ufer des Tiber, wo dieser im Norden Roms den feinen Stadtteil Parioli von den gewöhnlicheren Vororten trennt. Umfriedet von Gittern und gut bewacht liegt der beige schimmernde Kolossalbau, der außer zwei Bethallen auch ein islamisches Kulturzentrum samt Bibliothek und Schule beherbergt, weitab von der Innenstadt. Die Verkehrsbetriebe haben eine Busverbindung eingerichtet, um so namentlich an Freitagen den gläubigen Moslems die Teilnahme am großen Predigtgottesdienst zu erleichtern.
    Die Gebetsnische ist selbstverständlich exakt nach Mekka ausgerichtet, und die Berechnung dieser Position war nicht die einzige Sonderaufgabe, die in mehr als zwanzigjähriger Planungs- und Bauzeit dem römischen Star-Architekten Paolo Portoghesi sowie einem italienischen und einem irakischen Kollegen gestellt wurde. Umweltschützer bemängelten, dass überhaupt ein exzellentes Stück Natur von dreißigtausend Quadratmetern zur Bebauung hergegeben wurde und setzten durch, dass das Minarett nur die relativ geringe Höhe von dreißig Metern erreichen durfte.
    War dies schon ärgerlich genug, so sorgten erst recht Anwürfe aus Kreisen fundamentalistischer Katholiken für Furore. Eine Aktivisten-Gruppe verteilte 1993 beim Karfreitags-Kreuzweg des Papstes im Kolosseum Flugblätter und erklärte darin, die römische Moschee werde nicht nur Stätte des Gebets, sondern auch der Propaganda sein. Dabei hätten Christen in manchen islamischen Ländern religiöse Verfolgung zu erleiden. In polemischer Zuspitzung wurde gar die schon vom faschistischen Diktator Mussolini gestellte Frage aufgegriffen, wieso die Muslime eine Moschee in Rom wollten, wo sie doch in ganz Saudi-Arabien keine katholische Kirche duldeten, schon gar nicht in Mekka. Saudi-Arabiens Botschafter entgegnete: »Ganz Saudi-Arabien ist heiliges Land, und wir würden ja keine Moschee im Vatikan errichten wollen.«
    Solcher Streit ist später abgeflaut, und als die Moschee im Juni 1995 eingeweiht wurde, erklärte der Botschafter Marokkos, das neue Haus solle Stätte der Begegnung zwischen den Kulturen sein. Vor ihm saßen nicht nur, mit wallendem Burnus und Kopftuch bekleidet, Würdenträger aus jenen dreiundzwanzig islamischen Staaten, die die Baukosten von mehr als fünfunddreißig Millionen Euro aufgebracht hatten, angeführt von einem saudischen Prinzen. Auch Italiens Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro war anwesend nebst weiteren Politikern sowie Vertretern anderer Religionen. Der Papst hatte als Vertreter Monsignore Clemente Riva geschickt, einen Weihbischof der Diözese Rom.
    Für weitergehende Gesten fehlte die politische Basis. Der Dialog mit den Weltreligionen ist in den vergangenen Jahren nicht vorangekommen. Es war schon ein historisches Datum, als Johannes Paul II. am 13. April 1986 als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche ein jüdisches Heiligtum betrat, die Synagoge am Tiberufer im ehemaligen jüdischen Ghetto von Rom. Der Rabbiner Elio Toaff empfing ihn mit einer Umarmung.
    Juden leben schon seit der Antike in Rom, heute sind es über zwanzigtausend. Und seit geraumer Zeit haben auch andere Religionsgemeinschaften in der Hauptstadt des Katholizismus kleine Gemeinden und Kirchen, so etwa die zu den Reformierten gehörenden Waldenser, die russischen und griechischen Orthodoxen, die Anglikaner und die schwedischen Lutheraner, ferner Mormonen, Methodisten, Baptisten und Pfingstbewegung, schließlich auch die evangelisch-lutherische Kirche aus Deutschland, deren Gotteshaus und Pfarrverwaltung sich in der Via Toscana finden.
    Die Römer indes scheinen von der Präsenz dieser Gemeinschaften ebenso wenig beeindruckt wie von der übermächtigen Gegenwart des Papstes und des Vatikans, die alltäglich auf den Straßen der Stadt auch in der Begegnung mit einer großen Zahl von Geistlichen und Nonnen ihren Ausdruck findet. Umfragen ergeben immer wieder, dass Rom von allen Städten Italiens die heidnischste ist. In einer Untersuchung

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