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Lesereise Rom

Lesereise Rom

Titel: Lesereise Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brill
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Deutschland der Boulevardpresse vorbehalten blieben (welche es wiederum in Italien nicht gibt): Star-Kult und Spektakel, Unglücksfälle, Gewaltverbrechen und Familiendramen und was sonst noch menschlicher Anteilnahme, Neugier oder Klatschsucht so sehr zugänglich ist. Überhaupt ist Ausführlichkeit ein italienisches Elixier, auch dem kurzen Leben der Moana Pozzi sind also ganze Zeitungsseiten gewidmet worden.
    Die junge Frau, erfuhr man, war ein paar Monate vor ihrem Tod in Indien gewesen, hatte danach von einer Virusinfektion gesprochen und über Schmerzen geklagt und war schrecklich abgemagert. Die Ärzte diagnostizierten Leberkrebs, ihm erlag sie in einem Krankenhaus im französischen Lyon, wo ihr Vater, ein Ingenieur, lebte. Jeder weiß indes, dass die Ausübung des Berufs einer Pornofilmdarstellerin eher das Risiko von Aids als Leberkrebs in sich birgt, doch wurden daran geknüpfte Vermutungen von Mutter und Manager der Verstorbenen eilends zurückgewiesen.
    Die Mutter und der Manager sind immer wieder interviewt worden, und die Mutter hat dabei Einblick gegeben in die subtile Tragödie einer gutbürgerlichen Familie, die wegen der Pornokarriere der Tochter am früheren Wohnort bei Alessandria gemieden wurde, die darunter litt, darüber stritt und über den Zerwürfnissen zerbrach. Die Mutter lebt vom frommen Vater heute getrennt und hält diesem vor, er sei zur Tochter nicht streng genug gewesen. Und sie erzählt, nur einmal habe ihre Tochter, die in ihren Filmen endlos körperliche Liebe mimte, sich in ihrem Leben verliebt.
    So fügt sich ein privates Bild zum öffentlichen. Moana Pozzi war eine landesweit bekannte Person. Im italienischen Fernsehen war sie Gast in Talkshows oder anderen Sendungen. Einmal hielt ihr dort ein Regisseur vor, sie habe sich ihren gerne exponierten Busen mit Silikon füllen lassen, damit er üppig werde, und sie wusste darauf nichts Rechtes zu sagen. Moana Pozzi rühmte sich, mit vielen bekannten Männern geschlafen zu haben, auch mit einem wirklich mächtigen Politiker. Außerdem hatte sie eine »Partei der Liebe« gegründet und sich damit bei Parlamentswahlen und bei der Bürgermeisterwahl in Rom beworben, wo sie auch lebte. Sie landete weit abgeschlagen; den Publicity-Erfolg ihrer Berufskollegin Ilona Staller (»Cicciolina«), die bis 1992 eine Legislaturperiode lang als Abgeordnete der Radikalen Partei das Parlament verunsichern durfte, konnte sie nicht wiederholen.
    Dass eine Primitiv-Darstellerin aus dem brutalen und äußerst unästhetischen Gewerbe der harten Pornografie überhaupt und ausgerechnet im hochkatholischen Italien derartige Prominenz, ja gar eine gewisse Beliebtheit erlangen kann, ist eines jener Phänomene, die jeden Völkerkundler fiebern lassen. Rigorismus hat eben auf der Apenninhalbinsel seine entschiedenen Gegenpole, und überhaupt ist in Italien kein Urteil gnadenlos, auch keines über gefallene Mädchen, die dem sechsten Gebot so unzweideutig zuwiderhandeln.
    Dabei hat Moana Pozzi, Schülerin eines Ursulinen-Kollegs, sich immer als eine Christin betrachtet. Bekannte schilderten sie als lebensfroh, fleißig, mitfühlend, aufrichtig – und diskret. Ihren Tod hat sie absichtsvoll erst mit Verspätung bekanntmachen lassen, ihre Asche wollte sie ins Meer oder über ihren Lieblingsberg gestreut wissen. Ihr beachtliches Vermögen vermachte sie einer Stiftung, die den Krebs bekämpfen soll. Und auf ihre jüngere Schwester hatte sie schon vor Jahren, als diese ebenfalls Porno-Schauspielerin werden wollte, so lange eingeredet, bis diese davon absah. Die Zeitung La Repubblica hat übrigens – o Italia! – gemeint, darauf hinweisen zu müssen, dass Moana Pozzi im selben Alter gestorben sei wie Jesus.

Halbmond zwischen tausend Kreuzen
Rom beherbergt auch Europas größte Moschee
    Ein Gotteshaus wie keines sonst in Rom: Brunnenwasser plätschert in der Marmorrinne, auf der Kuppel prangt kein Kreuz, sondern das Zeichen des Halbmondes, und der Innenhof weist in postmoderner Vermengung nicht nur römische, sondern auch arabische Elemente auf. In der Stadt der tausend Kirchen steht einsam auch eine Moschee.
    Dies brauchte nichts Besonderes zu sein in einer Metropole, die unter ihren 2,7 Millionen Einwohnern rund fünfunddreißigtausend Menschen islamischen Glaubens hat und die als Hauptstadt auch Fixpunkt für die mehr als dreihunderttausend Moslems in ganz Italien ist. Andere Großstädte wie Paris, Madrid oder Berlin haben längst islamische Bethäuser, aber Rom

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