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Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Sotscheck
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haben im Talisker House auf ihren Highlandreisen übernachtet und, wenn man der Überlieferung glauben darf, dem Whisky kräftig zugesprochen.
    Der Malzwhisky verdankt sein Aroma dem Torf, der zum Trocknen des Malzes benutzt wird. Zwei Schafhirten haben 1830 mit der Brennerei begonnen. Im Besucherzentrum der Brennerei schenkt man uns zwei Gläser ein. »Ich rieche Torf und Seetang«, sagt Angus voller Vorfreude, als er seine Nase ins Glas hängt. Dann nimmt er einen kräftigen Schluck und sagt mit Kennermiene, als ob er den Whisky zum ersten Mal probiere: »Rauchig und würzig mit einem langen Abgang – eindeutig der beste Whisky der Highlands.«

Die Lairds von Eigg
    Das Tuckern der Dieselgeneratoren ist das einzige Geräusch, das die Stille durchdringt. Eigg hat keinen eigenen Strom, und wenn die Generatoren um Mitternacht abgeschaltet werden, liegt die Insel im Dunkeln. Man gewöhnt sich dran. Für die fünfundsechzig Einwohner auf dem drei Hektar großen Eiland ist es ein Luxus, für ein paar Stunden am Tag Strom zu haben, für die Waschmaschine und den Fernseher.
    Eigg gehört zu den »Small Isles«, den vier kleinen Inseln vor der Westküste. Die anderen sind Rum, Muck und Canna. Eine Fähre klappert die Inselgruppe von Mallaig aus täglich ab. Sie befördert nicht nur Besucher, sondern auch Lebensmittel, Getränke, Baumaterialien und alles, was man sonst noch zum Leben braucht. Weil das Schiff im Hafen von Kildonnan nicht anlegen kann, schicken sie von der Insel ein kleines Motorboot hinaus in die Bucht. Dort muss alles umgeladen werden, Waren und Menschen.
    Auch Henry Vollam Morton hat die Reise gemacht: »Es dunkelte bereits, als ich zu dem äußersten Vorposten der Welt kam, nach Mallaig: Da gibt es einen Hafen, und in diesem Hafen ankert eine seltsame, sturmgepeitschte Flotte von kleinen Schiffen mit hohen Vordecks. Dort riecht es nach all jenen Sachen, die Hunger aufs Meer machen, nach Erbsensuppe, Hammelfleisch und Speck. Diese Schiffe führen für die Menschen der Hebriden fast den Beweis, dass es irgendwo auf der Welt einen Fleck Erde gibt, den man Großbritannien nennt.«
    Die Ankunft der Fähre ist das Ereignis des Tages, eine kleine Menschenmenge hat sich an der Pier eingefunden. Der Inseldoktor nimmt seine neue Schubkarre in Empfang, Sue Kirk lädt die Waren für ihren Laden ins Auto, Angus McKinnon holt einen Nachbarn vom Festlandausflug ab, das Inseltaxi wartet auf eine Fuhre. Und wer nichts zu tun hat, kommt auf ein Schwätzchen zum Steg.
    John Cormack, ein großer Mann Mitte dreißig, hat etwas zu tun. Er ist Briefträger und hat das beste Auto auf der Insel, einen roten Kombi mit der Aufschrift »Royal Post«, wie sie auch in London herumfahren. Er lädt die beiden schwarzen Postsäcke ein und fährt damit zu Sue Kirks Laden. Es gibt auf Eigg nur eine einspurige Teerstraße, die sich an beiden Enden gabelt. Kein Schild weist die blaue Wellblechhütte mit rotem Dach oberhalb des Hafens als Einkaufsladen aus, nur ein kleiner Aufkleber am Fenster verrät, dass hier auch das Postamt untergebracht ist – ein Tresen in der Ecke neben der Tür, dahinter zwanzig Fächer mit den Familiennamen der Einwohner. Dreimal in der Woche fährt John Cormack die Post aus. »Ein Brief aus London braucht schon seine Zeit«, sagt er bedächtig, »es kommt halt auf die Fähren und das Wetter an.« Auf Eigg gibt es keine Eile.
    Sue Kirks Laden ist das Gemeindezentrum. Die meisten Inselbewohner trudeln nach und nach ein, weil sie wissen, dass die Fähre frisches Obst und Gemüse gebracht hat – und Bier. Die vier Kästen sind im Handumdrehen ausverkauft, denn es gibt kein Wirtshaus auf Eigg. Die Leute bleiben noch ein Weilchen, tauschen Nachrichten aus und sammeln ihre Post ein. John Cormack muss mit seinem roten Auto gar nicht mehr losfahren. Im Eingang des Ladens hängt eine Tafel, an der die geplanten Hochzeiten und die letzten Nachrichten der Insel-Treuhandgesellschaft angeschlagen sind.
    Maggie Fyffe gehört zum Vorstand der Gesellschaft. Vor zweiundzwanzig Jahren ist sie mit ihrem Mann aus Nordengland herübergekommen, weil Keith Schellenberg, der laird von Eigg, ihnen Arbeit in seinem Kunsthandwerksgeschäft gegeben hat. »Wir sind seinetwegen hergekommen, aber er wollte uns schon bald wieder loswerden«, sagt Maggie Fyffe und lacht dabei aus vollem Herzen. Die Fyffes gelten als Hippies auf der Insel – Althippies vielleicht. Beide sind fast fünfzig. Maggie ist klein, rundlich, hat lange graue Haare und

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