Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knut Diers
Vom Netzwerk:
Begründer des Weinbaus, der seine Kunst von Dionysos gelernt hat, dem Sohn des Zeus.
    Wer weiter durch die heilige Halle schreitet, sieht ständig neue Götter. Sie alle sind hier in Bestbesetzung vertreten. Es ist ganz großes Kino. Die Architekten schienen Angst zu haben, auch nur einen von ihnen bei ihren Fußbodenarien zu vergessen und so in Ungnade zu fallen. Gleich am Eingang wartet Narziss, der schöne Jüngling. Er wehrte sich gegen die Zuneigung der Nymphen und wurde von der Liebesgöttin Aphrodite dafür bestraft. Narziss verliebte sich in sein eigenes Spiegelbild, das er an Bächen ständig sucht. Dass später aus ihm eine Narzisse wird, ist sozusagen die Abkehr von der Höchststrafe, was ebenfalls Aphrodite einfädelte.
    Beim Who is Who der antiken Götter kommen auch Bilder zutage, die ganz offensichtlich als Vorlage für spätere christliche Darstellungen dienten. Christi Geburt mit der erschöpften Mutter ist so ein Bild. Es kann hier schon als Achilles-Mosaik bewundert werden. Die Dame Ambrosia kommt von links mit einer Kanne Styxwasser. Jeder, der darin badet, wird unsterblich. Heute ist der kleine Achilles dran. Die Amme Anatrophe hält zwar den Neugeborenen, doch den Badevorgang übernimmt die noch von der Geburt erschöpfte Mutter Thetis. Unglücklich packt sie den Kleinen an der Ferse, sodass Achilles an dieser Stelle verletzlich bleibt. Was für ein Pech! Drei Schicksalsgöttinnen stehen dahinter und werden Augenzeuginnen des Dramas, das immerhin namensgebend für die »Achillesferse« wurde. Als »verwundbare Stelle im System« belegt der Begriff im Synonymenlexikon weltweit einen der ersten Plätze.
    Auch der Heiligenschein wird hier schon ein paar Meter weiter einmal zur Probe erleuchtet, bevor er dann in Darstellungen der Christen von ihnen ganz übernommen wurde. Der kleine Dionysos hat es sich auf dem Schoß des Hermes bequem gemacht und lässt seinen Nimbus, den Heiligenschein, über sich strahlen. Diese kreisförmige Erleuchtung hat sich bis heute in fast alle Religionen verbreitet.
    Dann ist Ganymed zu sehen, ein Sohn des trojanischen Königs Tros und der »Schönste aller Sterblichen«. Zeus hatte sich maßlos in ihn verliebt. In der Gestalt des Adlers entführte ihn der Göttervater, was auf dem Mosaikbild mit gebotener Leichtigkeit dargestellt ist. Ziel des Fluges war der Olymp. Dort verschaffte Zeus ihm gleich einen Job in seiner Nähe – als Mundschenk der Götter. Diese Geschichte war nicht nur eine Vorlage für einen Lobgesang Goethes, auch am Himmel findet sich abends etwas davon wieder – als Sternbild des Wassermanns. Platon rechtfertigte mit dem Ganymed-Mythos gar die Liebe vom Mann zum Jüngling. Galileo Galilei benannte einen Mond des Jupiters nach dem Knaben.
    Wenn man dann weiter über das Gelände streift und dem Spiel der vielen Katzen in der Sonne zusieht, kommt ein römisches Forum ins Blickfeld. Es ist fünfundneunzig mal fünfundneunzig Meter groß, hat zwölf halbkreisförmige Sitzreihen und eine brauchbare Akustik. Es war einst der zentrale Hofplatz des Hafenorts Pafos. Weiße Marmorsäulen säumten die Bühne. Gleich daneben stand das Haus des Asklepios, des Gottes der Heilkunst. Der Patient wurde gebeten, im Haus der Heilkunst eine Nacht zu verbringen. Am nächsten Morgen sollte er von seinen Träumen berichten. Der Arzt übernahm die Deutung und sah darin die Wurzel seiner Therapie. Das mag nach Quacksalberei klingen, damals jedoch hatte Asklepios einen Ruf wie Donnerhall. Er konnte Tote zum Leben erwecken. Homer soll ihn im Kampf um Troja als unvergleichbaren Arzt gepriesen haben. Der als bärtiger, ernster Mann dargestellte Heilkünstler stützt sich auf einen Stab, der von einer Schlange umschlungen wird – den Äskulapstab. Er ist heute noch das Symbol der Heilkunde. Der Hahn, die Eule, die Schlange und die Zypresse waren dem Arzt heilig. Ob er sie früher alle in seinem antiken Krankenhaus auf Zypern untergebracht hatte, lässt sich nicht mehr nachprüfen – es liegt in Trümmern.
    Die sind auch im nordöstlichen Zipfel des Geländes zu entdecken. Ohne Absperrung kann jeder dort schutzlos in Höhlen klettern und über Treppen in Trümmerfelder eindringen. Was das Felsheiligtum Toumpalos, in dem heute Fledermäuse und Tauben Regie führen, früher einmal war, ist unklar. Jeder darf selbst einmal spekulieren, ob es sich hier um Badehäuser, den Weinkeller eines nicht mehr vorhandenen Palastes oder um ein Priesterseminar handelte. Zwischen Alpenveilchen

Weitere Kostenlose Bücher