Lesley Pearse
einem Hausierer an, der bei uns anklopft«, Lily lachte. »Die sichere Variante wäre, wenn du dir erst die Männer ansiehst, über die wir schon etwas wissen.«
Trotz Matildas Protesten hielten Giles und Lily den ganzen Sommer über nach einem passenden Mann für sie Ausschau. Sie stellten ihr Hans vor, den groß gewachsenen blonden Sohn der Hoffmanns, denen die Stadtbäckerei gehörte. Er war gut aussehend genug, um die meisten Mädchen vor Ehrfurcht erstarren zu lassen, aber er konnte nicht mehr als vier Worte am Stück hervorbringen. Später traf sie Johann. Seine Eltern waren Deutsche, und er wollte sie nach Amerika holen, sobald er seine Farm aufgebaut hatte. Er konnte zwar reden, allerdings nur über seine Farm, und außerdem kaute er Tabak, was Matilda abstieß. Nach diesen beiden erschienen Michael, Amos und Dieter im Pfarrhaus, die zwar allesamt das Talent zur Konversation besaßen, gut aussahen und keinen Tabak kauten, doch sie hatten diesen verzweifelten Ausdruck in den Augen, der Matilda vermuten ließ, sie würden jede Frau umwerben, nur um endlich jemanden zu haben, der für sie wusch und kochte.
»Wir müssen unser Netz weiter auswerfen«, entschied Lily. Gerade hatten sie Dieter taktvoll nach Hause entlassen, nachdem er die Meinung geäußert hatte, dass Bildung Frauen nur hochnäsig und zu anspruchsvoll werden ließ.
»Was gedenkst du, wie weit wir es auswerfen sollten?« Giles saß grinsend in seinem Schaukelstuhl. »Soll ich in die Wildnis ziehen und dort nach Mattys großer Liebe suchen? Oder soll ich in den Zeitungen annoncieren und ihre besonderen Fähigkeiten anpreisen?«
Matilda konnte sich vor Lachen kaum halten. Während Lily die ganze Angelegenheit sehr ernst nahm, fasste Giles sie als großen Spaß auf. Manchmal rauschte er ins Haus und verkündete, er habe einen Fremden auf der Straße getroffen, und fragte, ob er ihm einen Termin bei Matilda als zukünftigem Verehrer geben sollte. Sie hatten während der vergangenen Monate so viel über dieses Thema gelacht.
»Sei doch mal vernünftig«, mahnte Lily vorwurfsvoll. »Du könntest wenigstens deinen Bekannten in St. Louis schreiben.«
»Lily, ich möchte Matilda an keinen von ihnen verlieren«, entgegnete Giles. »Sie sind entweder bettelarm oder Sklavenhalter. Und du weißt, was ich von Letzteren halte.«
Giles hatte inzwischen seinen eigenen Weg gefunden, mit der Sklaverei umzugehen. Während des Winters war er nach St. Louis gereist und hatte eine Gruppe engagierter Abolitionisten getroffen, die entlaufenen Sklaven Rat und Hilfe anboten und ihnen zur Flucht über den Missouri River in die Nordstaaten und Kanada verhalfen. Darauf standen zwar harte Strafen, aber Giles nahm dieses Risiko in Kauf. Es verging kaum eine Woche, in der er nicht fortging, um einen neuen Unterschlupf zu organisieren oder Decken, Nahrung und Kleidung weiterzugeben, die andere gleich Gesinnte ihm gegeben hatten.
Lily zuckte die Schultern. Sie unterstützte Giles’ Ansichten, aber sie fürchtete, dass sie ihn in Schwierigkeiten bringen würden. Die Befürworter der Sklaverei in Missouri waren harte Menschen, und sie würden nicht zögern, einen Mann zu erschießen, der den Schwarzen zur Flucht verhalf, auch wenn er ein Pfarrer war. Die Sklavenfänger waren sogar noch brutaler. Es hieß, dass sie mehrere hundert Dollar bekamen, wenn sie einen entlaufenen Sklaven zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückbrachten. Angeblich folterten und töteten sie nicht nur die Menschen, die ihnen im Weg standen, sondern brannten auch ihre Häuser nieder.
»Nun ja, wir müssen uns wohl etwas anderes ausdenken«, sagte sie. »Aber ich werde nicht aufgeben.«
»Ich wünschte, du würdest es«, Matilda lachte. Während der Sommermonate hatte sie oft den Hebammen ihrer Bekannten zur Seite gestanden, um bei der Geburt eines Kindes zu helfen. Dabei hatte sie vieles gesehen und erfahren, dass die Ehe nur selten eine gleichberechtigte Partnerschaft war. Die Männer arbeiteten zwar hart, aber wenn sie ihren Job erledigt hatten, kamen sie nach Hause, um zu essen, und gingen später in den Saloon, spielten mit ihren Freunden Karten oder gingen schlafen. Die Frauen arbeiteten dagegen von frühmorgens bis spätnachts, mussten mit wenigen Stunden Schlaf auskommen und hatten die alleinige Verantwortung für die Kinder, den Haushalt und kümmerten sich sogar noch um den Gemüsegarten und das Vieh. Matilda hatte auch beobachtet, dass es zwischen Mann und Frau nur wenig Zärtlichkeit gab.
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