Lesley Pearse
in dem er Fenster, Treppen und Schränke hatte einbauen sollen. Miss Rowbottom bot ihm für ein paar Nächte eine Unterkunft an, wofür er im Austausch einige kleinere Arbeiten im Haus erledigte. Cissy und er mochten sich auf Anhieb, und in der Zeit, in der er in der Nähe arbeitete, kam er oft zum Haus, um ihr den Hof zu machen. Schließlich hielt er um ihre Hand an.
»John hat Peter von Anfang an gern gemocht«, erzählte Cissy, und ihre Augen leuchteten glücklich. »Er stört sich auch nicht an meiner Vergangenheit. Wir haben schnell geheiratet, weil er einen anderen Job gefunden hat, bei dem uns eine Hütte zum Wohnen angeboten wurde. Ich arbeitete weiterhin im Waisenhaus, weil es ganz in der Nähe lag, und John kam an den Sonntagen immer zum Heim, um auszuhelfen. Dabei hat er auch Sidney lieb gewonnen, und als wir anfingen, über Oregon nachzudenken, sagten wir uns, wir nähmen ihn besser mit, denn er hat einen scharfen Verstand und kann wunderbar mit Tieren umgehen.«
Sidneys Gesicht leuchtete bei diesen Worten auf. »Ich hätte das Heim sowieso bald verlassen müssen, weil ich jetzt zu alt bin«, sagte er. »Und John wird mir das Schreinern beibringen.«
Matilda fand es immer noch schwierig, sich vorzustellen, dass diese beiden Menschen, die ihr so viel bedeuteten, wirklich hier in der Küche saßen. Cissy war jetzt achtzehn und hatte sich in eine wahre Schönheit verwandelt, genau wie Matilda vorausgesehen hatte. Ihr langes, gelocktes dunkles Haar ließ sich von den Haarklammern nicht bändigen und fiel ihr in Strähnen auf die Schultern. Den Sonnenhut hatte sie vom Kopf in den Nacken geschoben, als störte er sie. Ihre grünen Augen blitzten schelmisch, und ihr Körper hatte weibliche Rundungen angenommen. Sidney war größer als sie, und sein rotes Haar sah so aus, als hätte er es eigenhändig kurz geschoren. Aber abgesehen davon wirkte er nicht mehr wie ein verwahrlostes Waisenkind. Seine Schultern waren breit und seine Arme muskulös geworden, er war schon fast ein Mann.
»Peter ist jetzt drei und ein großer Junge«, berichtete Cissy. »Er ist mit John beim Wagen. Wir dachten, es wäre nicht sonderlich höflich, mit der gesamten Truppe hier aufzutauchen. Aber wie geht es euch? Gefällt es euch hier unten? Wie geht es dem Reverend? Rettet er immer noch Waisenkinder?«
Matilda erzählte ihnen ein wenig von ihrem neuen Leben und wie glücklich sie alle waren.
Cissy blickte auf Lilys Bauch und lächelte. »Wann ist es bei Ihnen so weit?«
»Im nächsten Monat«, antwortete Lily. »Am zweiten oder dritten.«
»Ich glaube, bei mir ist auch etwas unterwegs.« Cissy grinste. »Doch ich habe noch keinen Doktor besucht. Ich hoffe, wir werden schon in Oregon sein, wenn es kommt. Ich habe Peter in einem Keller geboren, deshalb weiß ich, dass ich auch mit allem anderen klarkommen würde. Aber lieber wäre mir doch ein anständiges Bett.«
Matilda war etwas überrascht, als Lily die beiden einlud, Peter und John später zum Abendessen mitzubringen. Ihr ganzes Wesen hatte sich verändert, seit sie New York verlassen hatten, aber dennoch war Cissy ein wenig ungeschliffen für eine so vornehme Person wie Lily. Doch sie hatte die Einladung ernst gemeint und lächelte Cissy und Sidney mit Wärme an.
»Reverend Milson wird sich so freuen, Sie wiederzusehen«, erklärte Lily. »Und wir müssen alle einen Blick auf Ihren neuen Ehemann werfen, Cissy. Tabby wird sich freuen, in Peter einen Spielkameraden zu finden.«
»Gott segne Sie, Ma’am«, entgegnete Cissy. »Wir wissen es ganz sicher zu schätzen. Es ist schon lange her, dass wir ein Essen an einem Tisch eingenommen haben. Ich werde meine Manieren bis heute Abend noch einmal aufpolieren. Wir gehen jetzt wohl besser und stören Sie nicht weiter beim Backen.«
Der folgende Abend war einer der besten, an den Matilda sich erinnern konnte. Cissys oft respektlose und sarkastische Bemerkungen über die Leute, die sie beim Treck begleiten würden, brachten alle den ganzen Abend zum Lachen. Es war wunderbar zu sehen, wie gut Sidney sich inzwischen ausdrücken konnte, denn die Erlebnisse während ihrer Reise nach Independence beschrieb er so lebendig, dass sie die Bilder beinahe vor sich sehen konnten. Der kleine Peter, der mit seinem seidigen braunen Haar und seinem frechen Blick seiner Mutter sehr ähnelte, mochte Lily sehr gern. Er kletterte auf ihren Schoß und schlief schließlich dort ein.
Das Beste war jedoch zu sehen, dass John ein wirklich guter Mann und
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