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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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lag.
    Obwohl Zandra selten Freundschaften mit Frauen geschlossen hatte, gab es etwas an Matilda, das sie auf unbestimmte Art und Weise berührt hatte. Sie hatte seit ihrem ersten, recht kurzen Treffen sehr viel über sie nachgedacht. Ein Grund für ihr Interesse war sicher, dass sie in dem Mädchen einen verwandten Charakter entdeckt hatte: Matilda war eine gutherzige und lebendige Frau, die den Herausforderungen des Lebens geradewegs ins Auge blickte und sich von Tragödien und Schicksalsschlägen niemals aus der Bahn werfen ließ.
    Aus Matildas Brief erfuhr sie, dass mit dem Tod des Mannes ihrer Freundin noch mehr Unglück über sie hereingebrochen war. Doch nirgendwo in dem Brief fand sie ein Anzeichen von Selbstmitleid. Zandra vermutete, dass sie die gesamte Last, sich um die Witwe und ihre Kinder zu kümmern, auf die eigenen Schultern genommen hatte. Außerdem war ihr nur zu bewusst, dass es für eine Frau recht schwierig gewesen sein dürfte, das Fällen und Verschiffen des Holzes zu organisieren. Die meisten hätten sicher hoffnungslos das Gesicht in der Schürze vergraben.
    Zandra las zwischen den Zeilen und erkannte denselben unbezwingbaren Geist, der sie selbst in Matildas Alter nach Paris getrieben hatte. Ohne einen Penny, nur mithilfe ihres Verstandes und ihrer Schönheit war sie damals zur einflussreichsten und am meisten gefeierten Kurtisane der Stadt geworden.
    Sie hätte in ihrem geliebten Paris bleiben und eines der vielen Heiratsangebote annehmen können. Um ihre Versorgung im Alter hätte sie sich dann keine Sorgen mehr machen müssen. Aber ihr Stolz hatte ihr dies nicht gestattet, denn diese Männer waren jahrelang Freunde und Liebhaber gewesen, und sie wollte als junge und wunderschöne Frau in ihren Herzen und ihrer Erinnerung bleiben. Deshalb hatte sie vor zweiundzwanzig Jahren, mit fünfundvierzig, ihre Koffer gepackt und Paris verlassen, um herauszufinden, was Amerika zu bieten hatte.
    Ihren ersten Salon hatte sie in New Orleans eröffnet. Es kostete sie ihr gesamtes Vermögen, ein Haus in guter Lage anmieten zu können und die teuren Dekorationen und das elegante Mobiliar anzuschaffen. Ihre Mädchen wählte sie ebenso sorgfältig aus. Sie sollten nicht nur schön, sondern auch warmherzig sein und Persönlichkeit haben. Sie eröffnete mit einer grandiosen Soirée, zu der sie ausschließlich die reichsten Männer der Stadt einlud und nur die besten Weine, Champagner und exzellentes Essen servierte. Die Investition lohnte sich, denn die Gentlemen erkannten bald, dass ein Besuch in ihrem eleganten Salon nicht nur ein großer Spaß war, sondern auch vollkommen diskret behandelt wurde.
    Zwanzig Jahre später, mit fünfundsechzig, war sie müde geworden. Sie setzte sich zur Ruhe, verkaufte den Salon und zog nach Charleston, wohin sie nur ihre Dienerin Dolores mitnahm. Dort kam ihr jedoch das Gerücht zu Ohren, ein Zimmermann in der Nähe Sacramentos hätte Gold gefunden. Im Frühjahr des nächsten Jahres buchte sie für sich und Dolores eine Fahrt auf einem Schiff, um in San Francisco einen Blick auf das Geschehen zu werfen.
    Es war sicher nicht der Goldrausch, der sie zu dieser gefährlichen Seereise bewegte, sondern Neugier und Abenteuerlust. Sie hatte damals bereits genügend Geld, um ihre letzten Tage in Luxus verbringen zu können. Aber sie musste einfach herausfinden, ob sich das Gerücht bewahrheiten würde. Wenn dem so war, wollte sie Zeugin des Trubels sein, der sicher folgen würde.
    Zandra kam im Juni in der Stadt an und fand eine kleine, fast ausgestorbene Hafenstadt vor. Sie erfuhr, dass am zwölften Mai, also nur einen Monat zuvor, Sam Brannan, ein Mormonenführer und Herausgeber des California Star, der die Gerüchte über das Gold in Sacramento überprüft hatte, die Montgomery Street heruntergelaufen war und eine Whiskyflasche voller Goldstaub geschwungen hatte. Der Fluss sei voll davon, hatte er verkündet. Nahezu jeder Mann, der laufen konnte, stürmte daraufhin los, um sich selbst Gold zu sichern.
    Zandra saß darauf unerwartet in der eintönigen Stadt fest. Jeden Tag kamen neue Schiffe in den Hafen und brachten mehr goldhungrige Männer nach San Francisco.
    Und da Zandra den Ort momentan nicht verlassen konnte, entschloss sie sich, das Beste aus ihrer ungewollten »Gefangenschaft« zu machen. Sie kaufte ein Stück Land, und mit Ausdauer, Bestechung und endloser Bittstellerei gelang es ihr, für sich und Dolores ein ordentliches Holzhaus errichten zu lassen. Es bestand aus zwei

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