Lesley Pearse
Balustrade und sah den Mädchen dabei zu, wie sie die Röcke hoben und die wohl geformten Beine verführerisch schwangen. Zwar waren ihre Schritte nicht immer gleichmäßig, und manchmal tanzten sie aus der Reihe, aber da Zandra sicher die Einzige in diesem Raum war, die jemals in Paris gewesen war, war dies wohl vollkommen gleichgültig.
Matilda kamen wieder Zandras frühere Worte über das Bedürfnis der Goldsucher nach etwas weiblicher Wärme in ihrem harten Leben in den Sinn. Die anwesenden Männer sahen tatsächlich lächelnd und mit leuchtenden Augen zu den Mädchen hinauf, als wären sie junge Göttinnen. Für eine kurze Zeit konnten sie vergessen, dass sie bald wieder in die Berge gehen mussten, manche von ihnen durch Krankheit oder Unfälle umkommen und viele vielleicht gar keine Reichtümer finden würden.
Nach den Cancan-Tänzerinnen betraten die Jongleure die Bühne und schließlich ein Schlangenmensch, der sich »Der Mann ohne Knochen« nannte. Erwachsene Menschen kreischten ungläubig, als er seine Nummer aufführte und dabei seine Füße hinter seinen Kopf stellte, sich hintenüberbeugte, bis seine Hände den Boden berührten, auf dem er sich wie ein Krebs vorwärts bewegte.
Nach der Show spielte die Band wieder Musik. Matilda hatte befürchtet, dass die Menschen an diesem Punkt zu den Saloons zurückgehen würden, wo die Getränke preiswerter waren. Aber sie blieben, kauften mehr Drinks, und die Leute fingen an zu tanzen.
Es war drei Uhr morgens, als die Türen endlich geschlossen worden und die Einnahmen des Abends sicher im Safe untergebracht waren. Der lackierte Boden war voller Bierreste, und der Geruch von Zigarren und Schweiß war überwältigend. Aber es war ein großartiger Abend gewesen, und Matilda hoffte, in London Lil’s von nun an jeden Tag solche Scharen begrüßen zu können.
Zandra saß noch an einem Tisch auf der Galerie. In dieser Nacht würde sie hier bleiben, weil es so spät geworden war. »Du, mein Mädchen, hast heute Geschichte geschrieben.«
»Warum?«, fragte Matilda und humpelte die Treppen hoch, weil ihre neuen Schuhe drückten.
»Du bist die erste Frau, die einen Unterhaltungspalast eröffnet hat, und eine schöne und junge noch dazu. Du hast all die Männer tanzend zu ihren Zelten zurückgeschickt. Ich vermute, morgen und in den kommenden Wochen wird dein Name in aller Munde sein.«
»Ich hoffe nur, dass die Vorführungen so gut bleiben«, sagte Matilda müde. »Die armen Tänzerinnen müssen schon vollkommen erschöpft gewesen sein, als sie den letzten Tanz aufführten.«
»Bald stehen sie vor deiner Tür Schlange, um hier auftreten zu dürfen. In ein paar Monaten hat man sicher an Orten wie New York und New Orleans von dir gehört. Musiker, Tänzer, Sänger und Akrobaten werden das nächste Boot, ein Maultier oder den nächsten Treck nehmen, um hierher zu gelangen. Du wirst bald Eintritt nehmen müssen, weil die Vorführungen so gut sind.«
»Hoffentlich«, seufzte Matilda. »Aber alles, was mich jetzt interessiert, ist mein Bett. Gehst du auch schlafen?«
Sie nahm den Arm der alten Dame und half ihr hoch. Zandra hatte heute einige Gläser Brandy getrunken, und obwohl ihr Verstand noch rege war, bezweifelte Matilda, dass ihre Beine es ebenfalls waren.
»Erkennst du diesen Geruch?«, fragte Zandra, während sie sich auf die jüngere Frau stützte.
»Ja. Es riecht nach Bier, Zigarren und Schweiß«, Matilda lachte.
»Nein, meine Liebe, es ist nicht nur das«, erklärte Zandra. »Es ist der Geruch des Erfolgs. Atme ihn tief ein. Und vergiss ihn nie.«
19. K APITEL
San Francisco, 1852
V om Wohnzimmerfenster ihres Apartments aus beobachtete Matilda eine stetig wachsende Menschenmenge, die den Hügel heraufgelaufen kam, um einen vergnüglichen Abend im London Lil’s zu verbringen.
»Hast du eigentlich auch manchmal Angst, dein Glück könnte dich irgendwann verlassen?«, fragte sie Zandra, die auf einem Sessel saß und ihre Füße auf einen Hocker gelegt hatte.
»In meinem Alter würde das sowieso keine Rolle mehr spielen.« Die ältere Frau kicherte. »Aber du darfst dich nicht mit solchen Gedanken quälen, Matty. Selbst wenn das Schlimmste passieren und das Lokal heute Nacht abbrennen würde, könntest du ein anderes Geschäft eröffnen. Du hast jetzt Geld im Rücken.«
London Lil’s war nun seit zwei Jahren geöffnet und hatte all ihre Hoffnungen erfüllt, ja sogar übertroffen. Charles Dubrette war zu seiner Kanzlei in New Orleans zurückgekehrt,
Weitere Kostenlose Bücher