Lesley Pearse
vielleicht nach außen anständig und gesetzt erscheinen, Matty«, hatte er sie geneckt, »aber ich weiß genau, dass du auch eine ungezogene Seite hast. Sieh die Strumpfbänder als eine Art Glücksbringer an«.
»Auf eine Nacht, an die wir uns lange erinnern werden«, sagte Charles nun und brachte eine Flasche Champagner auf die Galerie, wo Matilda mit Henry, Simeon und Zandra saß. »Seht euch nur diese Menschenmenge an!«
Die Männer drängten sich an der Theke, um Getränke zu bestellen, und auch der Rest des Raumes war zum Bersten angefüllt mit Menschen. Auf allen Gesichtern zeigte sich Erstaunen und Bewunderung für die elegante Ausstattung.
»Es sind auch eine Menge Frauen da«, bemerkte Matilda etwas überrascht. Sie schätzte grob, dass es ungefähr fünfzig sein mussten, und die meisten von ihnen waren sehr gut gekleidet. Sie hatte mit dem Erscheinen vieler Prostituierter gerechnet, denn ohne Zweifel hatten sie gehört, dass die Besitzerin von London Lil’s sich unter ihnen umgesehen hatte, um Kellnerinnen zu finden. Sicher wollten sie überprüfen, ob ihre Freundinnen ihr Geschäft von hier aus weiter betreiben würden. Sie würden enttäuscht sein. Matilda hatte mit über vierzig Mädchen gesprochen und nur zehn in verschiedenen Positionen eingestellt. Jede dieser Frauen hatte ihr anvertraut, ihr Leben ändern zu wollen, und Matilda gab ihnen nun die Chance, dies zu beweisen. Sie bezweifelte nicht, dass einige von diesem neuen Weg abfallen würden, doch in diesem Fall landeten sie sofort wieder auf der Straße. Daraus hatte Matilda kein Hehl gemacht.
»Wer sind all diese Frauen, Henry? Kennst du ein paar von ihnen?«
»Manche sind tatsächlich Ehefrauen«, Henry grinste. Sein gesundes Auge ruhte auf ihr, während das andere unbestimmt durch den Raum schweifte. »Ich bin überrascht, dass sie hier sind. Aber ich vermute, sie wollten sich selbst überzeugen, dass dies wirklich kein Bordell ist.«
Alle Partner hatten gemeinsam beschlossen, dass London Lil’s niemals zu dieser niedrigen Art der Unterhaltung absinken dürfte. Sie wollten gemeinsam eine Nische für ein Lokal schaffen, in dem man gut essen und eine Menge Spaß haben konnte. So würde es auch attraktiv für die vielen allein stehenden Frauen werden, die langsam in die Stadt zu strömen begannen. Matilda und Zandra wollten auch einen Ort etablieren, an dem Frauen Freunde finden und Männer kennen lernen könnten.
»Kommt Alicia erst später?«, fragte sie ihn bang. Sie hatte Henrys Frau in den vergangenen Monaten öfter getroffen, aber sie hatte sich immer sehr kühl Matilda gegenüber verhalten.
Sein Lächeln verschwand. »Nein, sie hat sich krank gestellt«, sagte er. »Eigentlich hatte ich schon fast vermutet, dass sie einen Grund finden würde, sich zu entschuldigen. Sie kennt viele Wege, mir ein schlechtes Gewissen zu machen, aber das ist ihr der liebste.«
»Armer Henry«, murmelte Matilda mitleidsvoll. Sie hatte diesen Mann in der letzten Zeit ins Herz geschlossen. Seine Begeisterung für das Projekt und sein unerschütterlicher Glaube an sie hatten ihr durch viele Pechsträhnen geholfen.
Ein Trommelwirbel signalisierte, dass die Show jeden Moment starten würde. Die Musik begann zu spielen, der Umkleideraum öffnete sich, und sechs Tänzerinnen erschienen. Sie hatten ihre hellen Satinkleider gerafft, um bunte Petticoats, schwarze Strümpfe und geknöpfte Stiefel preiszugeben. Mit einem breiten, herausfordernden Lächeln liefen sie die Treppe zur Bühne hoch, bildeten einen Kreis und begannen zu tanzen.
Dies war Zandras eigenes Geheimprojekt gewesen. Obwohl sie Paris schon vor langer Zeit verlassen hatte, hielt sie noch Kontakt mit alten Freunden dort. Durch sie hatte sie von diesem Tanz, dem Cancan, gehört, der in den Dreißigerjahren entstanden war und all die Ungezogenheit der französischen Metropole verkörperte. Zandra hatte nicht geruht, ehe sie alles darüber erfahren hatte. Sie hatte Notenblätter, Theaterplakate und Skizzen der Kostüme organisiert und sich erklären lassen, wie der Tanz im Detail choreografiert war. Sie hatte eine Gruppe Mädchen zusammengestellt und sie jeden Nachmittag üben lassen. Keinem der Partner, nicht einmal Matilda, hatte sie erlaubt, bei den Proben zuzusehen.
Die Menge schrie vor Begeisterung, klatschte Beifall und stampfte mit den Füßen auf den Boden, wobei sie die Musik der Band beinahe übertönte. Matilda war genauso gefesselt wie all ihre Gäste. Sie lehnte sich über die
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