Lesley Pearse
ihre Brüste voll und ihre Beine lang und wohl geformt. Er konnte auch nicht davon berichten, wie oft er sie beim Bürsten ihres Haars am Lagerfeuer gesehen hatte oder dass es wie schimmerndes Gold aussah, wenn es sich über ihre schmalen Schultern ergoss. Allein die Erinnerung daran ließ ihn erschaudern.
»Sie trägt immer Handschuhe, selbst wenn sie schmutzige Gläser einsammelt«, hatte einer der Männer angemerkt. James wusste, warum, denn er war es gewesen, der ihre Hand verbunden hatte, als ihr der Nagel abgerissen worden war.
Seine Augen waren mit Tränen gefüllt, als er in der Dunkelheit aus der Stadt über die Straße in Richtung New Mexico ritt. Seine Hochzeit mit Evelyn, der einzigen Tochter Colonel Hardings, hatte im September vergangenen Jahres in Virginia stattgefunden. Sie war die ideale Offiziersgattin, eine ausgezeichnete Gastgeberin, gebildet, hübsch und eine amüsante Gesellschafterin. Sie verstand, dass ein Soldat viel Zeit fern von der Heimat verbringen musste. Seine Liebe war nicht so leidenschaftlich wie bei Belle oder später Matilda, darüber war James sich im Klaren, aber er hatte sich eingeredet, eine Ehe, die von den starken Pfeilern einer ähnlichen Herkunft gestützt wurde, hätte eine größere Chance auf Erfolg und nach einer Zeit würde wahre Liebe daraus erwachsen.
Bis gestern war er vollkommen zufrieden gewesen. Aber jetzt, nachdem er Matilda wiedergetroffen hatte, war sein Seelenfrieden wie fortgewischt. Als er vor vier Jahren keine Antwort auf seinen Brief erhalten hatte, war er überzeugt gewesen, ihre Gefühle für ihn seien rein freundschaftlicher Natur gewesen oder sein Liebesbekenntnis habe sie in Verlegenheit gebracht oder schockiert. Ihr ängstlicher Gesichtsausdruck, als sie ihn im London Lil’s erblickt hatte, hatte dies seiner Meinung nach bestätigt. Zu erfahren, dass sie den Brief gar nicht erhalten hatte, war eine große Erleichterung für ihn gewesen. Er war sich sicher gewesen, seine Liebe überwunden zu haben und mit Matty einfach einen vergnüglichen Abend verbringen zu können, ohne an die Vergangenheit zu denken, deren Schatten für immer ruhen sollten.
Doch er hatte sich getäuscht. Ihr Gesicht, der Klang ihrer Stimme, die Art und Weise, wie sie sich bewegte, und das lodernde Feuer in ihren Augen, wenn sie über Dinge sprach, die sie tief berührten, brachten all seine Gefühle zurück. Und dieser eine Kuss riss die alte Wunde wieder auf, und er wusste, sie würde niemals wieder heilen. Sie hätte zu dir gehören sollen! Sein ganzer Körper schien ihm das zuzurufen. Er hätte seinem Herzen folgen und sie finden sollen, was auch immer das Ergebnis gewesen wäre. Jetzt würde er seinen Fehler bis zum Lebensende bereuen.
20. K APITEL
M atilda kam im späten Juli aus Oregon zurück. Sie rauschte die Treppen hoch, um Zandra zu suchen. Ihre Wangen waren von der Seereise gerötet, Sommersprossen bedeckten ihre Nase, und sie sah erholt und strahlend aus.
Zandra hatte im Sessel vor sich hin gedöst, aber als Matilda hereingestürmt kam, wachte sie auf und brach in ein breites, zahnloses Lächeln aus. »Meine Liebe, was für eine wunderbare Überraschung! Ich habe dich erst in ein paar Tagen zurückerwartet.«
»Die neuen Dampfschiffe sind so schnell. Es ist nicht mehr wie in den alten Tagen«, berichtete Matilda und umarmte die alte Dame herzlich. »Wie ist es dir ergangen?«
»Sehr gut, aber jetzt, da du wieder hier bist, geht es mir noch besser. Ich habe dich schrecklich vermisst«, meinte Zandra, griff Matildas Hand und drückte sie fest. »Du siehst großartig aus, auch wenn ich nichts davon halte, wenn junge Damen ihr Gesicht dem Sonnenschein aussetzen. Komm, setz dich zu mir, und erzähle mir von deinem Urlaub.«
»Es war einfach wundervoll«, seufzte Matilda. »Tabby ist eine richtige Dame geworden, und sie ist außerordentlich intelligent. Sie verblüfft mich immer wieder mit ihrem Wissen. Erinnerst du dich, dass sie mir geschrieben hatte, ein englischer Geistlicher wolle ihr zusätzlichen Unterricht geben? Ich habe ihn und seine Frau getroffen, und sie haben Tabby beide sehr lieb gewonnen. Der Reverend fragte mich um meine Erlaubnis, sie von der Schule zu nehmen. Er meint, sie würde dort nicht genügend gefordert, und möchte sie gern bei sich zu Hause aufnehmen, um ihr Tutor zu sein.«
»Ist das wirklich eine gute Idee?«, wandte Zandra zweifelnd ein. »Sie ist Cissy eine große Hilfe, nicht wahr?«
»Das stimmt«, räumte Matilda ein. »Aber
Weitere Kostenlose Bücher