Lesley Pearse
Schreiben dieser Zeilen gewesen war. Er mochte vielleicht eine Frau geheiratet haben, die eine angemessenere Partie war, als sie selbst es jemals sein könnte, doch sie war es, die er liebte.
Aber dieses Wissen konnte sie nicht trösten. Sie liebte ihn ebenfalls, und bei ihrer Reise nach Oregon war ihr dies noch deutlicher geworden, denn sie hatte die ganze Zeit über an ihn gedacht und von ihm geträumt. Sie brauchte nur ihre Augen zu schließen – schon erinnerte sie sich an seinen Kuss und spürte, wie sich alles in ihr vor Sehnsucht nach ihm verkrampfte. Alle Eigenschaften, die sie in einem Mann suchte, hatte sie in ihm gefunden. Stärke, Intelligenz, Mut und Zärtlichkeit. Sie liebte sein Aussehen, seine Bewegungen, seine Art zu reden. Ihr fiel nichts ein, was sie an ihm nicht mochte.
Aber während sie all dies mit Cissy besprochen hatte, war ihr auch klar geworden, dass Liebe nicht lebenslanges Glück hätte garantieren können, selbst wenn er frei gewesen wäre. Eine Frau, die ein Lokal besaß, war nicht die geeignete Ehefrau für einen Offizier. Eine Verbindung hätte für ihn jegliche Beförderung verhindert und gesellschaftliche Ächtung nach sich gezogen. Wahrscheinlich wäre er dauerhaft an einer abgelegenen Stelle wie Fort Laramie stationiert worden.
Wäre es ihr wirklich möglich, alles, was sie erreicht hatte, aufzugeben und an einem solchen Ort mit ihm zu leben? Matilda seufzte, sah sich in ihrem Zimmer um und dachte an all den Komfort, den sie hier genoss. Es wäre das pure Glück, ihn in ihrem sauberen, wohl riechenden Bett zu lieben, aber wie würde sie sich fühlen, wenn sie seine Hemden in einem Fluss waschen müsste? Wäre sie mit einer improvisierten Hütte in der Wildnis inmitten von Schlangen, Insekten und Ratten zufrieden? Würde das Zusammenleben mit dem Mann, den sie liebte, all dies erträglich machen?
Und dennoch hatte es keinen Sinn, sich mit solchen Fragen zu quälen. James war verheiratet. Selbst wenn er seine Frau nicht so sehr liebte wie sie selbst, konnte sie, Matilda, ihn niemals besitzen. Sie sollte Gott besser für das danken, was sie hatte, und sich nicht nach Dingen sehnen, die unerreichbar waren.
Es dauerte eine Weile, bis Matilda ins Wohnzimmer zurückkehrte. Sie sagte kein Wort, sondern sank niedergeschlagen auf ein Sofa. Zandra blickte in ihre rot geränderten Augen und wusste sofort, dass sie sich die Seele aus dem Leib geweint hatte.
»Möchtest du mir von dem Brief erzählen?«, fragte sie.
»Es gibt nichts zu sagen«, seufzte sie, und eine Träne rann ihre Wange herab. »Er ist verheiratet, das ist alles. Ich muss ihn vergessen.«
Es war nur wenige Monate später, am Neujahrstag achtzehnhundertdreiundfünfzig, als Zandra starb. Sie hatte sich seit einiger Zeit vor Weihnachten schlecht gefühlt und war die meiste Zeit in ihrem Bett geblieben. Matilda war um acht Uhr morgens in ihr Zimmer gegangen, um ihr ein frohes neues Jahr zu wünschen, aber Zandra war bereits in der Nacht verstorben.
Matilda blieb eine Zeit lang bei ihr sitzen und weinte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, diese Augen in dem faltenreichen Gesicht nie wieder lächeln zu sehen. Für viele Leute war die Comtesse nur eine alte Dame gewesen, wegen ihres Titels sogar eine bedeutende, auch wenn ihr Ruf durch ihre Profession angekratzt war. Doch Matilda hatte sie viel mehr bedeutet. Zandra hatte sie geprägt und inspiriert. Ihre Freundin hatte zwar mit zweiundsiebzig Jahren ein stolzes Alter erreicht und Glück gehabt, ihren scharfen Verstand gemeinsam mit ihrem ausgeprägten Sinn für Humor behalten zu können und ohne Schmerzen und Verzweiflung zu sterben. Aber dies war kein Trost für Matilda. In ihrem Leben würde von nun an eine große Lücke klaffen, das spürte sie.
Es war Sidney, an den sie sich wandte, um Trost zu finden. Zandra und er waren nach seiner Ankunft im September sofort enge Freunde geworden. Sie hatte ihm geholfen, sich an das Leben in einer geschäftigen Stadt zu gewöhnen, und ihn auf die üblichen Fallen hingewiesen, in die ahnungslose junge Männer oft tappten. Sie erklärte ihm, wo er die richtige – gemäßigt elegante – Kleidung kaufen konnte, erzählte ihm auch von Frauen und riet ihm, sich vom Spiel und der Trinkerei fern zu halten. Er verehrte sie und war außer Matilda und Dolores vielleicht der einzige Mensch, der ihren wahren Kern hinter der Fassade der eleganten Frau erkannt hatte.
Die Kirche war während der Beerdigungsfeierlichkeiten so voll wie
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