Lesley Pearse
Cissy war die Erste, die sagte, dass Tabitha sich eine solche Chance nicht entgehen lassen dürfte. Die Glovers haben selber keine Kinder, und Tabby würde dort die Art von Erziehung und Bildung erhalten, die sie auf die Universität vorbereitet. Weißt du, der Reverend lehrt sie sogar Latein. Ich glaube, das ist genau das, was Giles sich für sie erhofft hätte, und außerdem kann Tabby Cissy jederzeit besuchen, wenn sie möchte.«
»Und Amelia?«
»Oh, sie ist das süßeste Ding, das du je gesehen hast«, schwärmte Matilda begeistert. »Ihre Wangen sind rosig wie Äpfelchen, sie hat lange, dunkle Wimpern, und ihr Haar ist so schön gelockt! Aber ich sollte besser nicht anfangen, über sie zu reden, ansonsten werde ich dich zu Tode langweilen. Ich habe auf dem Schiff die ganze Zeit mit einer Frau über sie gesprochen, und ich glaube, sie war erleichtert, mich bei der Ankunft in San Francisco von hinten zu sehen.«
Zandra lachte. »Wie geht es Cissy?«
»Sie hat einen Verehrer!«
»Wirklich? Erzähl mir von ihm«, rief Zandra aus. Obwohl sie Cissy noch nie getroffen hatte, meinte sie, die junge Frau bereits gut aus Matildas Erzählungen zu kennen.
Matilda rümpfte die Nase. »Sein Name ist Arnold Bigglesworth, und er besitzt eine kleine Druckerei, aber in meinen Augen ist er ein wenig aufgeblasen. Er hat Cissy sogar schon einen Heiratsantrag gemacht. Ich habe ein wenig Angst, dass er hinter ihrem Geld her sein könnte.«
»Hat sie seinen Antrag akzeptiert?«
»Noch nicht, sie ist momentan glücklich, allein mit den Kindern zu leben. Aber er begleitet sie zur Kirche und geht mit ihr spazieren. Sie hat also Gesellschaft, und die Kinder mögen ihn, besonders Tabitha. Es könnte also sein, dass sie ihn heiratet.«
»Du hast noch nichts von Sidney erzählt.«
»Ja, das ist eine Überraschung. Du wirst ihn bald kennen lernen, denn im September kommt er her, um für mich zu arbeiten.«
»Wie wundervoll!«, rief Zandra begeistert. »Aber wie kommt es dazu? Ich dachte, er und Cissy seien unzertrennlich?«
Matilda schnitt eine Grimasse. »Das sind sie auch, beinahe. Das ist ein Grund, warum er herkommen wird. Die Leute im Ort haben angefangen, über Cissy und ihn zu reden, weil er mit ihr zusammen wohnt. Er ist jetzt siebzehn, und es hat sich herumgesprochen, dass er nicht ihr richtiger Bruder ist. Nun, du weißt ja, wie die Leute sind!«
Zandra nickte, und Matilda fuhr fort, von den vielen Picknicks, Spaziergängen und Bootsfahrten nach Portland zu erzählen. »Ich war so glücklich«, erklärte sie sehnsüchtig. »Cissy hat den Garten richtig schön gestaltet, mit einem Rasen und Blumenbeeten, und Sidney hat den Kleinen ein Holzhaus zum Spielen gebaut. Es war schwer, sie wieder verlassen zu müssen.«
»Du könntest jederzeit zurückgehen. Du hast genug Geld verdient, um ein Geschäft zu eröffnen, wenn du gern möchtest«, erinnerte Zandra sie.
Matilda sah sie traurig an. »Ich glaube nicht, dass ich mich dort wieder einfügen könnte, ich habe mich zu sehr an die Stadt gewöhnt. Obwohl ich die Zeit mit den Kindern genossen habe, fürchtete ich abends manchmal, vor Langeweile umzukommen.«
Zandra nickte. »Die Kinder sind bei Cissy sicher noch eine Weile gut aufgehoben. Übrigens, du hast einen Brief bekommen. Ich glaube, er könnte von deinem Captain sein.«
Die Geschwindigkeit, mit der Matilda aufsprang und in ihr Zimmer lief, bewies Zandra, dass selbst ein Urlaub bei ihren Kindern James nicht aus ihren Gedanken hatte vertreiben können.
Matilda erbrach mit zitternden Händen das Siegel.
Liebste Matty, las sie. Ich habe schon vorher dutzende Briefe geschrieben und jeden einzelnen wieder zerrissen, weil ich darin Dinge sagte, ohne das Recht zu haben sie auszusprechen. Deshalb halte ich mich jetzt auf der sicheren Seite und schreibe dir, wie glücklich ich über deinen Erfolg in San Francisco bin. Keiner verdient dies mehr als du. Ich wünsche dir und deinen Kindern alles erdenklich Gute für die Zukunft.
Auch möchte ich mich bei dir entschuldigen, dir nicht sofort von meiner Hochzeit erzählt zu haben. Die Freude, dich wiederzusehen, und die Erkenntnis, welch großen Fehler ich begangen habe, weil ich dich nicht gesucht habe, hat meinen Verstand getrübt.
Alles, was ich noch verlangen kann, ist, dass du mich als guten Freund siehst.
Dein für immer, James.
Matilda las den Brief immer und immer wieder. Sie konnte die Worte hören, die er nicht niedergeschrieben hatte, und fühlte, wie bewegt er beim
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