Lesley Pearse
Freundin und sah, dass Verwirrung und Kränkung ihre Augen verdunkelten. Zandra maß der Ehe keine große Bedeutung bei, sie hatte ihr ganzes Leben mit Männern verbracht, die anderweitig gebunden gewesen waren. Doch sie war froh darüber gewesen, da sie ihre Liebe hatte genießen und sich dennoch die Freiheit hatte bewahren können, genau das zu tun, was sie wollte.
Doch sie wusste, dass Matilda für ihre zynischeren Ansichten jetzt nicht aufgelegt war. Sie befand sich im Bann der Leidenschaft und war reif für die Liebe. Für sie war dies ein weiterer Schlag. »Es tut mir so Leid«, erklärte sie voller Mitleid. »Ich kann mir vorstellen, wie enttäuscht du bist.«
»›Enttäuschung‹ trifft es nicht ganz«, platzte Matilda heraus. »Ich rase vor Wut. Ich wünschte, er wäre während einer seiner Feldzüge erschossen worden oder sonst etwas wäre passiert, das ihn davon abgehalten hätte, wieder in mein Leben zu treten.« Ihre Augen schwammen in Tränen. »Wenn ich nur nicht da gewesen wäre und ihn niemals wiedergetroffen hätte. Warum ist das Schicksal so grausam, Zandra?«
»Wenn ich das wüsste, wäre ich wohl die weiseste Frau auf Erden. Aber ich habe gelernt, dass diese Dinge geschehen, um uns zu prüfen, und nach jedem traurigen Schlag werden wir ein wenig stärker«, meinte die ältere Frau lächelnd. »Warum buchst du nicht eine Fahrt nach Oregon, um die Kinder zu sehen? In den Sommermonaten, wenn die Männer wieder in die Berge gehen, wird es hier etwas ruhiger werden. Ich kann mich während deiner Abwesenheit mit Mary um alles kümmern.«
Matilda nickte und schwieg für einen Moment. Sie blickte aus dem Fenster und war tief in Gedanken versunken. Aber schließlich drehte sie sich zu Zandra um. »Was würdest du an meiner Stelle tun?«
Zandra zögerte und dachte nach. Sie schwankte zwischen der Wahrheit und einer noblen Lüge. Aber sie musste ehrlich zu ihrer Freundin sein. »Ich würde in die Stadt laufen und ihn suchen«, antwortete sie. »›Ich will dich als Liebhaber, obwohl du verheiratet bist‹, würde ich ihm sagen. Ich würde nach jedem Stückchen Glück greifen, das sich mir bietet, ohne an die Konsequenzen zu denken.« Sie hielt inne und sah geradewegs in Matildas feuchte Augen. »Aber ich habe die Seele einer Hure, Matty. Ich war nie der Mensch fürs Heiraten und in deinem Alter wenig loyal.«
Captain Russell zurrte die Schnüre seiner Satteltasche fest und schwang sich graziös auf sein Pferd. Es war inzwischen dunkel. Eigentlich hatte er vorgehabt, noch eine Nacht in der Stadt zu bleiben und erst im Morgengrauen loszureiten. Aber wenn er blieb, würde er zu Matty gehen, das wusste er, und dann wäre er verloren.
Er hatte die letzten Stunden damit verbracht, Whisky zu trinken, doch er war noch vollkommen nüchtern. Das lag sicher daran, dass seine Trinkgenossen immer wieder von Matilda gesprochen hatten.
Sie entwickelte sich zu einer Art Legende. Er hatte die Männer von ihren Holzgeschäften reden hören und von ihrer Freundschaft mit einer früheren Bordellbesitzerin, die inzwischen bei ihr lebte. Auch von den Prostituierten, die sie von der Straße geholt hatte, um ihnen ehrliche Arbeit zu geben, hatten die Männer berichtet. Er wusste, dass sie ihrem Personal gute Löhne zahlte und es gut behandelte. Dennoch wurde über ihre Eiseskälte gemunkelt, wenn sie bestohlen wurde oder herausfand, dass sich ihre Mädchen den Gästen verkauften.
Diese Männer empfanden Matildas Ansichten bestenfalls als seltsam, stellenweise sogar anstößig, weil sie anderen Frauen den Floh ins Ohr gesetzt hatte, sich den Männern nicht unterordnen zu dürfen. Aber dennoch bewunderten sie Matilda. Ihr Lokal war ein Ort der Wärme an kalten Tagen, der Ehrlichkeit in einer mehr und mehr verlogenen Gesellschaft, des reinen Vergnügens inmitten schmutziger und verderbter Freuden.
Es war James sehr schwer gefallen, ihnen nicht von der Matilda zu erzählen, die er kannte. Die Erinnerungen, wie sie die Kinder pflegte, die an den Masern erkrankt waren, wie sie hochschwanger die Ochsen durch Gebirgspässe führte und wie sie sich mit schmutzigem Gesicht über den Kochtopf beugte, waren so lebendig, so schmerzlich, dass er sie gern mit jemandem geteilt hätte.
Er konnte Männern, die sehnsuchtsvoll von ihrer Schönheit sprachen, nicht erzählen, dass er einmal einen Blick auf sie erhascht hatte, als sie nackt im Fluss gebadet hatte. Ihr Bauch war damals erst leicht gerundet und vom kalten Wasser rosig gewesen,
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