Lesley Pearse
ihr mit düsterer Miene, es gebe noch viel schlimmere Dinge an der Barbary Coast.
Zwei Nächte später war Matilda im Gastraum, als plötzlich die Eingangstür aufgerissen wurde und ein großer Mann mit einer schwarz-weiß karierten Jacke und einem Derbyhut hereinkam. Sein zorniger Gesichtsausdruck verriet ihr sofort: Dies musste der berüchtigte Big Gee sein. Allein die Größe des Mannes ließ Matilda erschauern.
Sein Äußeres wies auf einen außergewöhnlich gefährlichen Mann hin. Er hatte ein tiefrotes Gesicht mit kantigen Zügen, schwarze Bartstoppeln am Kinn, und seine Augen blickten verschlagen, ja gemein. Er sah aus wie ein Mensch, dem es Freude bereitete, jeden zu beseitigen, der ihm im Weg stand.
Eindeutig hatte sich der Mann vorher über Matilda informiert, denn er schritt zielstrebig auf sie zu. »Ich höre, Sie beherbergen eines meiner Mädchen«, begann er und sah sie drohend an. »Ich will es zurückhaben, und zwar sofort.«
»Entschuldigen Sie bitte, aber ich weiß nicht, wovon Sie reden«, gab Matilda zurück. »Ich beherberge niemanden.«
Sie hatte immer angenommen, dass keiner es wagen würde, sie in ihrem eigenen Haus zu verletzen, doch dieser Mann würde keine Skrupel haben, sie oder einen anderen anzugreifen, das spürte sie.
»Versuchen Sie nicht, sich herauszureden«, knurrte er. »Ich rieche zehn Meilen gegen den Wind, wenn sich jemand in meine Angelegenheit einmischt. Holen Sie mir jetzt das Mädchen.«
Die Band spielte immer noch fröhlich, aber an der Bar waren alle Gäste verstummt, und die Spannung war greifbar. Matilda sah, dass Gilbert Green eine Pistole in seinen Gürtel gesteckt hatte. Seine Jacke stand weit offen, und sie konnte den glänzenden Griff erkennen. Green war bereit, die Waffe zu benutzen, daran zweifelte sie nicht.
Ihr war vor Angst übel. Sie wagte nicht, jemanden zu bitten, Hilfe zu holen, denn Big Gee würde sicherlich den ersten Mann, der sich bewegte, erschießen. Ihr blieb nur noch die Möglichkeit, ihn mit Worten abzulenken.
»Leider kenne ich Ihren Namen noch nicht«, erwiderte sie und versuchte, die Situation mit ihrem Charme zu entschärfen. »Und ich kann mir nicht erklären, warum Sie glauben, dass ich eines Ihrer ›Mädchen‹ festhalte. Ich bin nicht im Bordellgewerbe tätig. Die einzigen Mädchen hier sind Kellnerinnen.«
»Mein Name ist Gilbert Green«, gab er höhnisch zurück, als müsste allein der Klang sie schaudern und die Flucht ergreifen lassen. »Ich weiß alles über Sie. Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, alles über jeden in dieser Stadt zu wissen. Wenn Sie also keinen Ärger haben wollen, rate ich Ihnen, mir das Mädchen zu holen.«
So viel Angst Matilda auch haben mochte, musste sie dennoch ihren Ruf verteidigen und ihre Stellung behaupten. Sie wollte es sich nicht gefallen lassen, dass jemand in der Öffentlichkeit so mit ihr redete. »Wenn Sie jetzt freundlicherweise mein Haus verlassen würden …«, entgegnete sie und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, aber selbst jetzt reichte sie ihm nur bis zur Schulter. »Wie ich schon sagte, haben Sie sich geirrt. Außerdem mag ich es nicht, wenn Leute mir drohen wollen.«
Er blickte sie finster an und bewegte sich tatsächlich, allerdings zu den Räumlichkeiten, in denen Sidney wohnte. Eindeutig hatte er erfahren, dass Fern zuerst dorthin getragen worden war.
»Sie dürfen gern dort hineinsehen«, sagte sie. Sidney bewegte sich auf sie zu, doch sie warf ihm einen warnenden Blick zu, um ihn fern zu halten. »Kommen Sie, ich werde Ihnen die Räume selbst zeigen.«
Sie ging dem Mann voran, schloss die Haupttür auf und führte ihn von einem Raum in den nächsten. »Sehen Sie«, meinte sie triumphierend. »Hier schläft nur das Personal, sonst keiner.«
»Aber Sie haben sie hierher gebracht«, beharrte er, als sie wieder in den Saloon traten. »Ich weiß es.«
Jede Pore ihres Körpers schien sich vor Furcht zu öffnen. Sie spürte den Schweiß auf ihrem Gesicht, ihrer Brust und sogar auf ihrem Rücken. »Vor wenigen Tagen ist eine junge schwarze Frau tatsächlich hier in der Bar in Ohnmacht gefallen«, räumte sie ein, als erinnerte sie sich gerade erst wieder. »Ja, ich habe das Mädchen hier hereintragen lassen. Es blieb, bis es sich ein wenig erholt hatte, und ging wieder, als wir schließen wollten. Seitdem habe ich es nicht mehr gesehen.«
Er schien ihr zu glauben, und Matildas Erleichterung war groß, als er sich zum Gehen wandte. Aber am Fuß der Treppe hielt
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