Lesley Pearse
Stichworte nachdachte. Sie zweifelte nicht, dass Tabitha sich verpflichtet fühlen würde, ihr Studium abzubrechen, um bei der Pflege der Verletzten zu helfen. Bei ihrem Streben, Ärztin zu werden, war sie immer von ihrem Bedürfnis angetrieben gewesen, den Kranken zu helfen, und nicht von dem Wunsch, persönliche Vorteile oder Ruhm zu erlangen. Hierin ähnelte sie ihrem Vater sehr. Sollte Matilda ihr schreiben, dass sie am College bleiben musste?
»Nichts dergleichen wirst du tun!«, sagte sie laut. »Sie ist einundzwanzig, genauso alt wie du, als Lily starb. Wenn sie den Verletzten helfen will, sollte sie nicht davon abgehalten werden.«
Matilda wollte Henry Slocum später einen Besuch abstatten. Er würde sicherlich wissen, wie sie es anstellen konnte, einen Vertrag mit der Regierung zu schließen. Zusätzliches Personal würde benötigt werden, und da viele junge Männer in den Krieg zogen, würden ihre Mädchen die Stellen vielleicht ausfüllen können. Wenn sie schon auf James warten musste, bis der Krieg vorbei war, konnte sie wenigstens etwas dafür tun, ihn schnell zu einem Ende zu bringen.
Matilda hatte schon oft bereut, sich immer an Dolores’ Anweisungen zur Verhütung einer Schwangerschaft gehalten zu haben. Sie war inzwischen fünfunddreißig, und vielleicht würde es für ein Kind zu spät sein, wenn James zu ihr zurückkehrte. Oft hatten die Mädchen im Heim in der Folsom Street ein Baby, und immer, wenn sie eines in ihren Armen hielt, sehnte sie sich verzweifelt nach einem eigenen Kind. Es war ein Gefühl, das sie niemals verließ, genau wie sie nie frei von dem Schmerz sein würde, den Amelias Tod in ihr ausgelöst hatte. Dieses Gefühl kam meist unerwartet wie eine Flutwelle, die sie erfasste und mit sich riss, bis sie glaubte, darin ertrinken zu müssen.
Dolores schien genau zu wissen, wann sie von dieser Welle erfasst wurde. Sie nahm in diesen Momenten schweigend ihre Hand und drückte sie fest. Matilda fragte sich oft, woher Dolores all diese Dinge wissen konnte, aber sie war schließlich auf allen Gebieten eine bemerkenswerte Frau.
Matilda fuhr mit Treacle in ihrem Einspänner zum neuen Haus der Slocums am Rincon Hill. Es war ein herrschaftliches Gebäude mit einer imposanten Fassade, spitzen Giebeln und fünf breit auslaufenden Stufen, die zur Eingangstür führten. Matilda fuhr in die Einfahrt und befahl Treacle, beim Wagen zu bleiben. Während sie auf das Haus zulief, dachte sie, wie so oft, über die seltsame Tatsache nach, dass Henry Slocum – der erste Mensch, der ihr in San Francisco geholfen hatte – ihr ein so ergebener Freund geblieben war.
Alicia dagegen war ihr immer fremd gewesen und hatte sich niemals damit anfreunden können, dass Henry einen Anteil an einem Vergnügungslokal wie London Lil’s besaß, obwohl es ihr einen persönlichen finanziellen Vorteil einbrachte. Dennoch sammelte sie des Öfteren Kleider für Matildas Mädchen und überzeugte ihre snobistischen Freundinnen, die Hilfe des Jennings Büros in Anspruch zu nehmen, wenn sie nach neuen Hausangestellten suchten. Es störte sie auch nicht, dass Matilda ihren Mann besuchte.
»Es tut gut, dich zu sehen, Matty«, sagte Henry mit warmer Stimme, nachdem das Dienstmädchen Matilda in sein Arbeitszimmer geführt hatte. »Interessant, dass du mich heute besuchst, denn ich habe gerade noch an dich gedacht.«
»Es war hoffentlich ein erfreulicher Gedanke«, sie lachte. »Bei all den Gesprächen über den Krieg könnte ich ein wenig Aufmunterung vertragen.«
»Meine Gedanken an dich sind immer erfreulich«, erwiderte er galant und bewunderte ihr rosafarbenes Seidenkleid und ihren Hut. »Ich verstehe nicht, dass alle meine Freunde grau und runzlig werden, während du das Geheimnis ewiger Jugend gefunden zu haben scheinst.«
»Du bist ein unverbesserlicher Schmeichler«, sie lächelte. Sie kannte Henrys genaues Alter nicht, vermutete aber, dass er Mitte fünfzig sein musste. Sein früher dunkler Bart und der Haarkranz um seinen Kopf waren jetzt schneeweiß. Er war sehr dick geworden und sah aus wie ein Fass, doch sein Verstand war so messerscharf wie immer.
»Aber ich werde direkt auf den Punkt kommen und dir verraten, warum ich dich besuche. Ich möchte über Verträge mit der Regierung sprechen, denn ich habe mir überlegt, die Army mit Material zu versorgen, das sie benötigt.«
Er lachte und bot ihr einen Platz an. »Du denkst doch sicher nicht an Waffenschmuggel, nicht wahr?«
Matilda berichtete ihm von ihren
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