Lesley Pearse
angewiesen, dass er sich zum Bleiben verpflichtet fühlte, bis sich die Lage entspannen würde.
Es war ihnen in den letzten fünf Jahren sogar über die Entfernung von zweitausend Meilen gelungen, ein wenig Zeit miteinander zu verbringen. Matilda war drei Mal nach Denver gereist, um ihn zu besuchen. Im vergangenen Jahr fuhr sie bis nach Ohio, um Tabitha zu treffen, die dort am Clevedon Medical College ihr Studium begonnen hatte, und James kam auch dorthin. In all dieser Zeit hielten sie an dem Glauben fest, es würde nur noch ein paar Monate dauern, bis James sich von der Army freimachen und zu ihr kommen könnte. Als allerdings die Nachrichten vom Ausbruch des Krieges Matilda erreichten, wusste sie, dass sich ihre Hoffnungen nicht erfüllten: Er würde niemals während einer Krise austreten.
»Mein Liebling«, las sie. »Ich schreibe diesen Brief schweren Herzens, denn ich weiß, dass wir aller Wahrscheinlichkeit nach Krieg haben werden, wenn du ihn erhältst. Über die Jahre habe ich so viele Briefe mit Entschuldigungen dafür geschrieben, dass ich dich enttäusche, aber in diesem kann ich nicht einmal Worte der Hoffnung für unsere gemeinsame Zukunft finden, weil die Situation so schrecklich düster erscheint.
Ich bin nicht einmal der Überzeugung, dass dies ein Krieg ist, der ausgetragen werden müsste, denn die Kräfte, die ihn heraufbeschworen haben, sind ebenso wirr wie meine Gefühle. Wenn es nur um die moralische Frage der Sklaverei ginge, wäre ich glücklich, mit erhobenem Schwert in den Kampf zu ziehen, denn du kennst meine frühere Meinung dazu. Aber in Wirklichkeit sind es nur elitäre Minderheiten, die aufeinander getroffen sind.
Die meisten Nordstaatler sind weder wohlhabend und politisch einflussreich, noch ist ihnen die Sklavenfrage wichtig genug, um deswegen zu kämpfen. Ähnlich sind die meisten Weißen aus dem Süden arme Farmer und keine Entscheidungsträger. Die Elite aus dem Norden fordert wirtschaftliche Expansion, freies Land, freie Arbeit, einen freien Markt, hohe Schutzzölle für ihre Industrie und eine Bank der Vereinigten Staaten. Die Eliten im Süden lehnen all dies ab, denn sie glauben, dass Lincoln und die Republikaner ihr angenehmes Leben zerstören und ihren Reichtum mindern werden.
Meine Gefühle schwanken zwischen beiden Seiten hin und her. Immerhin ist Virginia meine Heimat, und selbst wenn ich einige der Traditionen ablehne, sind es meine Landsleute, gegen die ich Krieg führen soll. Vielleicht könnte ich meinen Drang zur Loyalität ignorieren, wenn ich sicher wäre, auf der Seite der Gerechtigkeit zu kämpfen. Aber ich weiß nur zu gut, dass die Sklaverei nicht das Hauptmotiv ist, und selbst wenn der Krieg sie alle befreien sollte, sind die Probleme nicht gelöst. Es gibt enorme Vorurteile gegen die schwarze Bevölkerung, und leider sind nur wenige davon überzeugt, dass den Schwarzen die gleichen Rechte zustehen sollten wie den Weißen.
Aber genug davon, meine Liebe, denn du möchtest sicher nicht solch pessimistische Gedanken hören. Eine Sicherheit ist jedoch aus dieser Situation entstanden: Wenn ich gegen meine früheren Nachbarn und Freunde kämpfen muss, werde ich nie wieder nach Virginia zurückkehren, wenn all dies vorüber ist. Ich werde die Army für immer verlassen und zu dir kommen. Also bete mit mir, dass es ein kurzer Kampf mit wenigen Todesopfern sein wird.
Ich trage dein Bild nah an meinem Herzen und küsse es jeden Morgen und Abend. Schreib mir bald, und erzähl mir aufmunternde Neuigkeiten von deinen Mädchen. Sage Sidney, dass ich Pate seines Kindes sein möchte, wie ich versprochen habe, auch wenn ich noch nicht absehen kann, wann das sein wird. Ich vermute, Peter sehnt sich verzweifelt danach, in den Krieg zu ziehen, denn er ist ein Heißsporn, wie ich selbst in seinem Alter einer war. Wenn du ihn nicht davon abhalten kannst, stelle sicher, dass er zu mir kommt und in mein Regiment eintritt, denn dann kann ich ihn vielleicht für dich schützen.
Ich liebe dich, denke immer daran. Mein Körper mag hier in Kansas und meine Gedanken mögen beim Krieg sein, aber mein Herz ist für immer und ewig bei dir.
In Liebe, James.«
Matilda wischte die Tränen fort, die ihre Wangen herabrannen, faltete den Brief und steckte ihn ins Mieder ihres Kleides. Sie biss sich in die Unterlippe, um die Tränen zurückzuhalten, und versuchte, sich damit aufzuheitern, einfach aus dem Fenster zu schauen, wie sie es oft tat.
Es war ein herrlicher Maimorgen mit warmem
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