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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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Zwar hatte Lily ihre Nervosität beibehalten sowie ihre Angst vor Krankheiten und die Angewohnheit, jeden kleinen Essensrest zu verwerten. Sie war immer noch schnell beleidigt, aber sie hatte sich damit abgefunden, in einem kleinen Haus zu wohnen, und manchmal schien es sogar, als wäre sie glücklicher, sich selbst um die Zubereitung der Mahlzeiten kümmern zu können. Sie hatte auch keine Angst mehr, wenn sie einen fremden Dialekt hörte oder ein schwarzes Gesicht sah, und gab sogar offen zu, dass sie ein Gläschen Sherry bei Zeiten genoss, obwohl sie früher in England jeglichen Alkohol als Teufelswerk betrachtet hatte.
    Zuerst hatte die fehlende Förmlichkeit im gesellschaftlichen Miteinander der Frauen sie aus dem Konzept gebracht – die Amerikanerinnen sprachen Lily mit ihrem Vornamen an und besuchten sie unangemeldet. Aber mit der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt und es sogar zu schätzen gelernt.
    Der größte Wandel in ihrer Einstellung bestand allerdings in der Art und Weise, wie sie Matilda behandelte. Sie bat viel mehr um ihre Hilfe, anstatt ihr Aufgaben ungefragt aufzubürden, und achtete sogar darauf, ob Matilda müde oder blass aussah. Vielleicht kümmerte sie sich mehr um ihre Bedienstete, weil Matilda die Einzige war, die wusste, was Lily mit ihrem Umzug nach Amerika eingebüßt hatte.
    In England stand ein Pfarrer auf derselben gesellschaftlichen Stufe wie Ärzte und Rechtsanwälte, und auch in ihrem jeweiligen Einkommen gab es keine nennenswerten Unterschiede. Als Pfarrersgattin hatte man Lily als Lady betrachtet, und sie war deshalb mit dem äußersten Respekt behandelt worden. In Amerika dagegen genoss ein Pfarrer kein großes gesellschaftliches Ansehen, außer natürlich, wenn er über ein eigenes Vermögen wie Darius Kirkbright verfügte.
    Giles hatte vor ihrer Reise nach Amerika erzählt, dass amerikanische Männer ihre Ehefrauen respektvoller behandelten als die Engländer, und oberflächlich betrachtet schien dies sogar zu stimmen, zumindest in der Öffentlichkeit. Was Matilda aber bislang gesehen und in den Unterhaltungen der neuen Freunde ihrer Dienstherrin mit angehört hatte, deutete eher darauf hin, dass sich amerikanische Männer zu Hause noch egoistischer verhielten als englische. Sie erzählten ihren Gattinnen nichts über ihre geschäftlichen Tätigkeiten, da gemeinhin angenommen wurde, dass Frauen zu empfindlich und ängstlich für solche Themen waren. Stattdessen erwarteten sie von ihren Gattinnen, dass sie sich auf die traditionellen weiblichen Fertigkeiten konzentrierten – aufs Haushalten, auf die Kindererziehung und darauf, das Leben des Mannes angenehmer zu gestalten.
    Es hatte den Anschein, dass Giles diese Einstellung bereits übernommen hatte. Er verhielt sich Lily gegenüber zwar freundlich und sanft wie immer, doch über seine Arbeit sprach er zu Hause nicht.
    Vielleicht war es deshalb auch nicht verwunderlich, dass zwei Frauen, die in einem fremden Land und auf engstem Raum zusammenlebten, näher aneinander gerückt waren als gewöhnlich zwischen Herrin und Bediensteter üblich. Sie unterhielten sich sehr viel, sprachen über Tabitha, Bücher, Kochen und ihre Nachbarn, schwelgten in Erinnerungen an ihre Heimat und unternahmen lange Spaziergänge, um die neue Stadt zu erkunden.
    Abends musste Giles oft ausgehen, und Lily leistete dann Matilda in der Küche oder an heißen Tagen im Garten Gesellschaft. Matilda sprach Lily zwar immer noch mit »Madam« an, führte auch aus, was sie ihr auftrug, und erledigte den größten Teil der Hausarbeit allein. Aber in Wahrheit war sie Lily mehr als ebenbürtig. Sie war es, die in den Geschäften um günstigere Preise feilschte und vor nichts Angst hatte. Sie legte fest, welche Mahlzeiten gekocht wurden, denn das Haushaltsgeld war knapp, und Matilda wusste, wie man Essen streckte. Je öfter Lily ihre Sorgen Matilda anvertraute, desto enger wurde die Verbindung zwischen den beiden Frauen.
    »Aber wo sollte ich Freunde finden?«, fragte Matilda nun.
    »Die Kirche veranstaltet jeden Samstag Tanzabende für junge Leute.«
    »Ich kann doch nicht tanzen«, wandte Matilda ein.
    »Soweit ich weiß, tanzt man dort nichts Schwierigeres als eine Polka, und das kann ich dir beibringen.«
    »Was ist, wenn mich keiner auffordert?«, murmelte Matilda ängstlich.
    »Das ist wohl kaum wahrscheinlich«, Lily lächelte. »Aber wenn du nicht tanzen gehen möchtest, warum besuchst du nicht die Bibelstunden, die der Diakon mittwochs

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