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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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erbärmlichen Wohnungen, Löhnen, die bereits ausgegeben waren, bevor sie verdient waren. Flynn wollte dieses Schicksal auf keinen Fall teilen.
    Matilda brachte ihn dazu, an sich zu glauben, wie er es früher nie vermocht hatte. Sie war so intelligent, geduldig und liebevoll, und sie arbeitete hart. Matilda konnte sich wie eine Dame benehmen und war mit den Gebräuchen der oberen Klassen vertraut, war aber nicht zimperlich und würde nicht vor Problemen fortlaufen. Mit ihrer Intelligenz und seinem Charme würden sie alles erreichen können. Er liebte sie mehr als jedes andere Mädchen, das er je gekannt hatte. Ihr Geist und ihr Wesen waren ihm viel wichtiger als sexuelle Befriedigung, die er schließlich überall finden konnte. Deshalb gab er sich damit zufrieden, in rauchigen Teeräumen mit ihr zu sitzen, in ihre wunderschönen Augen zu sehen und mit ihr von der Zukunft zu träumen.
    Er musste jetzt besonders vorsichtig sein. Er hatte genügend Geld gespart, um bald das Land zu verlassen. Flynn wollte zwar nichts lieber, als mit ihr schlafen, doch sie durfte auf keinen Fall bereits hochschwanger sein, wenn sie ihm in den Süden folgte. Das würde alles zunichte machen. Er wollte sie frisch und eifrig dort sehen, mit all ihren Ersparnissen in der Tasche, und sie sollte wie eine Dame erscheinen. Auf diese Weise wäre ihre Zukunft gesichert.
    »Warte nur ab, es wird wundervoll werden«, versicherte er, während er von der Bank aufstand und sie auf die Füße zog. Er wusste plötzlich, wie er mit einem Schlag all ihre Zweifel vertreiben konnte. »Wenn ich allerdings morgen Abend frei haben möchte, muss ich heute den ganzen Tag arbeiten. Ich werde dich gegen sieben Uhr zum Tanzen abholen.«
    »Was soll ich bloß anziehen?«, rief sie.
    »Egal, was du anziehst, du wirst alle anderen Mädchen übertreffen«, entgegnete er und küsste sie wieder. »Aber in dem rosafarbenen Kleid, das du getragen hast, als wir uns das erste Mal gesehen haben, hast du wundervoll ausgesehen.«
    Harry Halls Tanzsaal auf dem Broadway war so mit Menschen gefüllt, dass das Kondenswasser die Wände herunterlief. Es hielten sich mindestens zwei- oder dreihundert Leute dort auf, und die meisten von ihnen tanzten mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht.
    Beinahe jede Nationalität war vertreten, Italiener, Deutsche, Polen, Russen, aber die Iren und Juden waren in der Überzahl und schienen besonders leichtfüßig zu tanzen. An den Mädchen sah man die unterschiedlichste Kleidung: die jeweiligen Trachten ihrer Heimat mit bestickten Westen, aber auch Reifröcke aus Seide. Die deutschen Mädchen hatten ihre Haare streng geflochten, die irischen zeigten ihre losen, ungebändigten Locken, doch alle Frauen – ob hübsch oder einfach – waren begehrte Tanzpartnerinnen, da die Männer heillos in der Überzahl waren.
    An diesem Ort war nichts von der Lähmung zu spüren, die manche Immigranten erfasst hatte. Die Menschen hatten alle ihre Sorgen abgelegt, bevor sie den Tanzsaal betreten hatten. Glänzende Schuhe, frische Hemden, gewaschenes Haar und saubere Fingernägel zeigten, dass sie gekommen waren, um sich zu amüsieren und vielleicht die große Liebe zu finden.
    Es roch zwar nach Rauch und Schweiß, doch es lag auch Hoffnung und Fröhlichkeit in der Luft. Matilda sog die Atmosphäre in sich auf und war glücklich, endlich auf Menschen zu treffen, mit denen sie etwas gemeinsam hatte. Doch Flynn ließ ihr nicht viel Zeit, die anderen zu beobachten. Er beanspruchte sie bei jedem Tanz. Ihr Haar, das sie in stundenlanger Arbeit so frisiert hatte, wie sie es in einem Modemagazin gesehen hatte, löste sich langsam und fiel ihr auf die Schultern. Als die Musik später langsamer wurde, ließ Flynn seine Finger durch ihre Strähnen gleiten und schaute ihr bewundernd in die Augen.
    »Du bist mit Abstand die Schönste hier.« Seine Lippen berührten ihre erhitzte Wange. »Ich komme mir vor wie der König von Irland, und du bist meine Königin.«
    Sie tanzten im gedämpften Licht weiter, und ohne die Mäntel und Umhänge, die ansonsten zwischen ihnen wie ein Schutzschild wirkten, fühlte sich Matildas Körper heiß an, und sie sehnte sich danach, Flynn noch näher zu sein. Als sie seine Hand auf ihrer Taille spürte, schloss sie die Augen und schmiegte sich an ihn, während er sich geschmeidig zur Musik bewegte.
    Es war fast ein Uhr morgens, als sie in der State Street angekommen waren.
    »Kann ich heute Abend hier bleiben?«, flüsterte Flynn ihr ins Ohr.

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