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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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hören.
    »Kann ich Ihnen etwas holen? Oder soll ich Ihnen wieder ins Haus helfen?«, fragte Matilda besorgt.
    Lily kam aus der Toilette. Ihr Gesicht war völlig farblos, und sie stützte sich kraftlos auf den Türknauf.
    »Setzen Sie sich einen Moment hin«, bat Matilda, nahm Lilys Hand und führte sie zur Bank. »Es ist zu warm, um wieder reinzugehen.«
    »Es tut mir so Leid«, murmelte Lily mit schwacher Stimme. »Als ich heute Morgen aufgestanden bin, habe ich mich noch gut gefühlt, aber vom Geruch des gebratenen Schinkens ist mir dann sofort schlecht geworden.«
    Matilda wurde plötzlich klar, dass ihre Herrin ein Kind erwarten musste. Peggy hatte damals ähnlich empfindlich reagiert, in ihrem Falle war es Fischgeruch gewesen, den sie nicht vertragen hatte.
    »Kann es sein, dass Sie schwanger sind?«, fragte Matilda vorsichtig. Sie wusste, dass Damen es vulgär fanden, offen über solche Dinge zu sprechen.
    Lily sah sie streng an, aber dann hellte sich ihr Gesicht plötzlich auf. »Oh, Matty«, erwiderte sie atemlos. »Glaubst du, das ist möglich?«
    Matilda wollte loslachen. Es erschien ihr lächerlich, dass eine verheiratete Frau und Mutter in diesem Fall die Bestätigung ihres unverheirateten Dienstmädchens brauchte, doch sie nahm Lilys Hand lächelnd in die ihre. »Es kommt darauf an, ob Sie Ihre Blutungen gehabt haben«, flüsterte sie. »Wenn nicht, dann erwarten Sie wahrscheinlich ein Kind. Aber Sie sollten in jedem Falle einen Arzt rufen.«
    Bevor Lily antworten konnte, kam Giles nach draußen gelaufen, und Matilda ging in die Küche zurück, um zu frühstücken. Doch ihr verging der Appetit schnell, als sie daran dachte, was diese Wendung der Dinge für sie selbst bedeuten würde. So sehr sie sich auch für die Milsons freute, würde ein zweites Kind sie wieder für längere Zeit an ihre Stellung binden. Sie fragte sich, wann Lily wohl schwanger geworden war. Wenn es während ihres Urlaubs passiert war, musste sie jetzt im dritten Monat sein; dann würde das Kind gegen Weihnachten geboren werden.
    »Ich kann nicht so lange bleiben«, dachte sie laut. »Dann müssen sie sich eben ein neues Kindermädchen suchen. Ich kann nicht noch einen Winter ohne Flynn in New York bleiben.«

9. K APITEL
    E nde Juli schickte Reverend Kirkbright einen Brief in die State Street, in dem er nachfragte, ob Matilda zwei kleine Brüder in einer Wohnung in Mulberry Bend abholen und sie direkt nach New Jersey zum Waisenhaus bringen könnte. Ihre verwitwete Mutter war an Tuberkulose gestorben, und es konnte sich niemand um die Kinder kümmern.
    So traurig diese Aufgabe auch war, erschien sie Matilda doch als willkommene Ablenkung. Die Bestätigung der Schwangerschaft hatte die Milsons sehr glücklich gemacht, aber Lily litt immer noch an Übelkeitsanfällen, und so musste Matilda den Haushalt allein führen und sich um Tabitha kümmern.
    Vor zwei Tagen war endlich ein Brief von Flynn gekommen. Obwohl sie eigentlich hätte froh sein müssen, von ihm zu hören, war sie nur noch mehr verwirrt. Flynn hatte den Brief vor zwei Monaten direkt nach seiner Ankunft in Charleston aufgegeben. Seine liebevollen Worte waren zwar sehr tröstlich, und die begeisterte Beschreibung der Stadt hatte sie aufgemuntert, aber da er nichts von einer neuen Arbeit berichtet und keine Adresse hinterlassen hatte, an die sie hätte zurückschreiben können, hatte sich für Matilda an der ungewissen Situation nichts geändert.
    Die Möglichkeit, nach New Jersey hinauszufahren, Cissy und die Kinder wiederzusehen und der Hitze und Stickigkeit New Yorks zu entgehen, kam fast einem kleinen Urlaub gleich. Deshalb vergaß sie ihre Sorgen für einige Zeit und machte sich auf, die Kinder abzuholen.
    Mulberry Bend war ein beinahe ebenso verrufener Slum wie Five Points, aber die beiden Kinder, Arthur und Ronald, wurden von einer freundlichen Geschäftsinhaberin versorgt, die mit ihrer Mutter befreundet gewesen war. Sie waren hübsche Jungen mit blonden Haaren und blauen Augen, und obwohl sie schmutzig und schlecht gekleidet waren, konnte man sehen, dass ihre Mutter sie sehr geliebt hatte. Sie zeigten keinerlei Misstrauen, mit Matilda zu gehen, und sobald sie auf der Fähre saßen, wurde der letzte Rest ihrer Schüchternheit von der Aufregung über die Bootsfahrt vertrieben.
    Job holte sie mit seiner kleinen Kutsche an der Fähre ab, und zu Matildas Freude war auch Sidney dabei. Er war ein stämmiger Bursche geworden, sein ganzes Gesicht war mit Sommersprossen

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