Letale Dosis
großen, braunen Augen schienen alles in sich aufzunehmen, ihre Haut war leicht gebräunt. Sie trug einweißes Trägertop, kurze, weiße Shorts, ihre Füße waren nackt. Ihre fein modellierten Beine konnten andere Frauen neidisch werden lassen, ihre langen, schmalen Finger hielten ein Glas. Eine Frau, nach der sich bestimmt jeder Mann umsah, wenn sie auf der Straße an ihm vorbeiging, eine Frau, deren Ausstrahlung von kaum einer andern übertroffen werden konnte. Bei ihr stimmte einfach alles, das Aussehen, die Figur, ihre warme, weiche Stimme, ihre Art, sich zu geben. Julia Durant wünschte sich in diesem Augenblick, nur ein klein wenig von Nadine zu haben.
»Hallo, und danke für die Einladung.«
»Keine Ursache«, sagte Nadine, stellte das Glas auf den Tisch, erhob sich. »Sie sind immer herzlich willkommen. Dieser Platz ist für Sie«, sagte sie und deutete auf den Stuhl neben ihrem. »Frank ist für das Grillen zuständig, er kann ruhig mal in der Hitze sitzen. Es macht dir doch nichts aus, Schatz, oder?« fragte sie grinsend.
»Nein, in keinster Weise. So, was ist jetzt, was möchtest du trinken?«
Julia Durant setzte sich, sagte: »Ein Glas Wasser. Ich hatte vorhin schon ein Bier, und ich muß schließlich noch Auto fahren.« Frank Hellmer holte aus der Kühlbox eine Flasche Wasser und schenkte ein. Auf dem Tisch stand ein halbvolles Glas Bier, vor Nadine das Glas Wein.
»Und«, sagte er, während er fünf Steaks auf den Elektrogrill legte, »was hat dein Nachmittag ergeben?«
»Einiges«, antwortete sie und nahm das Glas vom Tisch. In der noch immer herrschenden, drückenden Schwüle war die Kühle des Glases eine Wohltat.
»Du kannst ruhig darüber reden, Nadine weiß von den Fällen.«
Das ist nicht zulässig, Frank Hellmer!
dachte sie und trank einen Schluck.
Wir werden uns morgen mal darüber unterhalten!
»Du weißt ja, ich war bei dieser Wagner, dann bei Frau Schönau,aber viel ist nicht dabei herausgekommen. Als ich zu Hause war, hab ich noch mal im Büro angerufen und da hat Berger mir etwas gesagt, das mich schon etwas erstaunt hat. Da hat nämlich vorhin ein Arzt aus der Nähe von Hannover angerufen und gesagt, daß vor einem halben Jahr ein recht namhafter Biologe und Chemiker seiner Meinung nach auf unnatürliche Weise ums Leben gekommen ist. Und jetzt rate mal, welcher Konfession dieser Typ angehörte?«
Hellmer drehte sich um, die Grillzange in der Hand, sah Durant an. »Sag bloß, dieser Kirche?«
Julia Durant nickte. »Genau der. Die Schönau kannte den Toten übrigens auch, durch sie habe ich erst erfahren, daß er der Kirche angehört hat.«
»Und was meint der Arzt, woran dieser … wie heißt er eigentlich … gestorben ist?«
»Hauser. Der Arzt hatte Notdienst und hat bei Hauser, der im übrigen genau wie Rosenzweig Diabetiker war, um die Einstichstelle eine leichte Gewebsnekrose festgestellt und auf dem Totenschein ›Todesursache ungeklärt‹ vermerkt. Er vermutete, daß Hauser durch Gift ums Leben kam und nicht, wie kurz darauf von unseren lieben Kollegen aus Niedersachsen behauptet, durch akutes Herzversagen. Jedenfalls ist damals von seiten der Polizei nichts unternommen worden, um eine mögliche unnatürliche Todesursache auszuschließen. Wir werden ihn exhumieren und noch einmal gründlich untersuchen lassen.«
»Wow, das ist ein Hammer! Aber wie paßt das zu unseren Morden?«
»Ganz einfach, die gleiche Konfession, vermutlich auch wieder Gift im Insulin«, sie zuckte die Schultern, »die Spur zum Täter führt meiner Meinung nach direkt ins Herz der Kirche. Und was mich vor allem zum Nachdenken bringt, ist die Tatsache, daß Hauser eben Biologe und Chemiker war.«
»Wieso?« fragte Hellmer und drehte sich wieder zum Grill, wendetedie Steaks, kam zum Tisch und trank von seinem Bier, das inzwischen warm geworden war.
»Na ja, hypothetisch betrachtet könnte er sich ja auch gut mit Giften ausgekannt haben. Und noch hypothetischer hätte er so vertraut mit der Materie sein können, daß er in der Lage war, Gifte in ihre jeweiligen Bestandteile zu zerlegen. Ich glaube, wir müssen die Spur bei Hauser aufnehmen und sie dann weiter nach Frankfurt verfolgen.«
Hellmer setzte sich, sah seine Frau an, dann Durant. Er fuhr sich mit der Hand leicht übers Kinn, sagte: »Angenommen, du hast recht mit deiner Hypothese, dann hat womöglich Hauser Gifte in einzelne Toxine zerlegt und …«, er schüttelte den Kopf. »Ich komm nicht weiter. Es macht keinen Sinn.«
»Doch, macht
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