Letale Dosis
solange er sich ausschweigt, sind uns die Hände gebunden. Wir bleiben aber auf jeden Fall an ihm dran. Gibt es denn schon irgendwelche Hinweise auf seine Vergangenheit?Ich wurde nämlich gestern in dieser Kirche von einem gewissen Maier angesprochen, der mir etwas vom Dritten Reich zugeflüstert hat. Aber Fink wurde erst kurz vor dem Krieg geboren, weshalb ich keine Verbindung zum Dritten Reich feststellen kann. Allerdings sprach dieser Maier auch davon, daß die Söhne für die Sünden ihrer Väter bestraft werden würden. Was immer er damit gemeint hat.«
»Ich habe schon ein paar Kollegen damit beauftragt, sich um Finks Vergangenheit zu kümmern. Wobei ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, daß irgend jemand jetzt noch diese perfiden Morde wegen etwas begeht, was vielleicht vor sechzig oder mehr Jahren passiert ist. Wenn
Sie
ein Täterprofil erstellen müßten, wie sähe dies nach Lage der Dinge aus?«
»Puh, schwer zu sagen. Auf jeden Fall eine Frau. Alter zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig, attraktiv, sexuell flexibel und aktiv. Hoher Bildungsstand, vermutlich Universitätsabschluß, was aber nicht unbedingt zwingend sein muß, denn ein fundiertes Wissen über Gifte gleich welcher Art kann sich im Prinzip jeder halbwegs intelligente Laie aneignen. Sehr vertraut mit den Lebensgewohnheiten der Opfer, das heißt, sie hat sich dieses Vertrauen offenbar auf eine sehr raffinierte Art erworben. So raffiniert, daß keiner auf die Idee gekommen wäre, ausgerechnet sie für eine kaltblütige Mörderin zu halten. Vermutlich eine freundliche, auffällige, aber nicht zu auffällige Person, jedoch eine, die auf Männer sehr anziehend wirken muß. Eine Frau, die auf jeden Fall mit Schönau und Petrol sexuell verkehrt hat, bei Rosenzweig und Hauser liegen uns darüber keine Erkenntnisse vor, zumindest weiß ich nicht, was die Überprüfung von Hauser bis jetzt ergeben hat …«
»Wenn ich Sie kurz unterbrechen darf – unsere Kollegen aus Hannover haben mit Hausers Frau gesprochen, die Stein und Bein schwört, daß ihr Mann nie eine Affäre hatte. Sie führt verschiedene Gründe dafür an, der wichtigste aber ist, daß sie vonsich behauptet, sofort zu spüren, wenn der Mann fremdgeht. Sie hatte, bevor sie Hauser heiratete, schon eine gescheiterte Ehe hinter sich, in der ihr Mann ständig andere Frauen hatte und sie es angeblich immer gewußt hat. Aber ich habe Sie unterbrochen. Fahren Sie fort.«
Julia Durant stand auf, stellte sich ans Fenster, sah hinunter auf die Mainzer Landstraße, hinüber zum Platz der Republik, wo die Bauarbeiten seit Jahren in Gang waren und ein Ende nicht in Sicht zu sein schien. Immer wieder wurde die Verkehrsführung geändert, sehr zum Leidwesen der Autofahrer, da sich vor allem im Berufsverkehr die Autos oft über mehrere Straßenzüge hinweg stauten. Es hatte wieder angefangen zu regnen, der Verkehr quälte sich durch das bis zur Taunusanlage ziehende Nadelöhr.
»Eigentlich bin ich fertig. Es kommen so viele Frauen in Frage; es kann eine aus der Kirche sein, es kann aber auch jemand ganz anderes sein, eine Arbeitskollegin von Rosenzweig oder Schönau oder auch von Fink. Die wohl am schwierigsten zu beantwortende Frage ist wohl, warum sie diese Morde begeht. Und natürlich müßten wir wissen, ob Rosenzweig, Schönau, Hauser und Fink irgend etwas verbockt haben, etwas derart Schwerwiegendes, daß diese Frau einfach durchgedreht ist. Vielleicht ist sie auch nur eine völlig durchgeknallte Psychopathin, die schlechte, womöglich sogar außerordentlich schlechte Erfahrungen mit dieser Kirche gemacht hat. Vielleicht fühlt sie sich ungerecht behandelt, was möglicherweise auch den ersten Brief an Fink erklären würde, in dem sie ihn auf irgend etwas aus seiner Vergangenheit anspricht. Fink war schließlich über viele Jahre hinweg – und ist es auch heute noch – eine führende Persönlichkeit in der Kirche. Und was mich außerdem nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, daß dieses Dreigestirn über einen sehr langen Zeitraum direkt zusammengearbeitet hat. Was, wenn Fink und seine Mitstreiter dieser Frau derart auf die Füße getreten haben, daß siejetzt zurücktritt, und zwar mit aller Wucht? Das Problem sind Hauser und Petrol. Hauser hatte keine Affäre, wie seine Frau behauptet, Petrol gehört nicht der Kirche an …«
Hellmer beugte sich nach vorn, die Ellbogen auf den Oberschenkeln, die Hände aneinandergelegt. »Moment, Moment, Moment. Jetzt mal rein hypothetisch
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