Letale Dosis
sollten Sie noch irgendwelche Informationen benötigen, meine Adresse und Telefonnummer. Sie können mich selbstverständlich auch in der Bank erreichen.«
»Nur noch eine Frage – kennen Sie sich mit Schlangen aus?«
Schönau lächelte überheblich. »Schlangen? Ich kenne nur die eine aus der Heiligen Schrift, nämlich jene, die Adam und Evaverführte, woraufhin sie aus dem Paradies ausgestoßen wurden. Schlangen interessieren mich nicht, nur Fische. Warum fragen Sie?«
»Nur so. Im Augenblick deutet alles darauf hin, daß Herr Rosenzweig durch Schlangengift ums Leben kam.«
»Na ja, Frau Rosenzweig hat einige Andeutungen in diese Richtung gemacht, sie sprach von der Möglichkeit, daß Gift … Aber das ist doch Theorie, oder?«
»Es ist keine Theorie, sondern inzwischen erwiesen. Wir müssen nur noch herausfinden, von welcher Schlange das Gift stammte.«
»Ist das jetzt nicht egal? Ich meine …«
»Belassen wir’s fürs erste dabei. Danke für Ihre Mühe. Wir werden vielleicht wieder von uns hören lassen.«
Sie betraten das Haus, wo Hellmer immer noch mit Heimann beschäftigt war. Julia Durant ging auf Sabine Reich zu und bat sie, kurz mit ihr sprechen zu dürfen. Sie stand wortlos auf, folgte der Kommissarin in den Garten.
Sie war etwa so groß wie Julia Durant, hatte halblanges, kastanienbraunes Haar, das in der Sonne rötlich schimmerte, große, dunkle Augen, die etwas Warmes hatten, und einen sanft geschwungenen Mund mit einer vollen, sinnlichen Unterlippe. Sie trug eine lockere, dunkelblaue Sommerbluse und Jeans, eine sportliche und gleichzeitig sehr frauliche Erscheinung, die nach
Roma
duftete. Julia Durant schätzte ihr Alter auf etwa dreißig Jahre, eine ausgesprochen hübsche, junge Frau, die, so vermutete sie, eine geradezu magnetische Anziehungskraft auf Männer haben mußte. Auf die meisten zumindest. Auf Kullmer auf jeden Fall.
»Frau Reich«, sagte Julia Durant, als sie im Garten waren, »ich habe nur ein paar Fragen an Sie.« Sie holte die Schachtel Zigaretten aus ihrer Tasche, fragte: »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich rauche?«
»Nein«, erwiderte Sabine Reich lachend, sie hatte eine angenehme,warme Stimme, »mir macht es nichts aus. Ich gehöre nicht zu denen, die … Aber lassen wir das. Was wollen Sie von mir wissen?«
»Frau Rosenzweig sagte mir, sie sei bei Ihnen in Behandlung. Sie sind Psychotherapeutin?«
»Ja, unter anderem. Ich mache Psychoanalyse und natürlich auch Psychotherapie. Aber wenn Sie etwas über die Therapie von Frau Rosenzweig wissen wollen, so muß ich Sie leider enttäuschen. Ich unterliege, wie Sie wissen, der Schweigepflicht. Es sei denn, Frau Rosenzweig gibt ihr Einverständnis.«
Julia Durant hatte sich eine Gauloise angezündet. Nach dem ersten Zug sagte sie: »Sie hat mir erzählt, daß sie unter Angstzuständen leidet und deswegen Ihre Hilfe in Anspruch nimmt. Mich würde interessieren, welcher Art diese Angstzustände sind und woher sie rühren.«
»Tut mir leid, darauf kann und darf ich Ihnen keine Antwort geben.«
»Wußte Herr Rosenzweig über die Therapie Bescheid?«
»Ich weiß es nicht, ich denke aber schon. Warum?«
»Nur so. Und Herr Rosenzweig, hat er sich auch schon einmal von Ihnen behandeln lassen?«
Sabine Reich lachte auf, schüttelte den Kopf. »Der – niemals! Rosenzweig hätte sich lieber eine Kugel in den Kopf gejagt, bevor er zu einem Therapeuten gegangen wäre. Ich denke aber auch, daß er nicht unbedingt einen nötig hatte. Ich kannte ihn zwar nicht besonders gut, wir haben uns fast nur sonntags in der Kirche gesehen, doch mein Eindruck von ihm war der eines gestandenen, gradlinigen Mannes, der jederzeit genau wußte, was er wollte und was er tat. Im Gegensatz zu einigen andern, denen es vielleicht ganz gut täte, wenn sie mal eine Therapie machen würden.«
»Was meinen Sie damit?« fragte die Kommissarin nach einem weiteren Zug an der Zigarette.
Sie gingen langsam nebeneinander über den Rasen, Sabine Reich hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Blick zu Boden gerichtet. »Wissen Sie, Frau Rosenzweig ist beileibe nicht die einzige, die unter Angstzuständen leidet. Es gibt viele Kirchenmitglieder, die unter Angst, Depressionen, Paranoia, sogar Schizophrenie leiden, denen ihr – nennen wir es Credo – es aber nicht erlaubt, sich in die Hände eines geschulten Therapeuten zu begeben. Die meisten hängen noch der antiquierten Vorstellung an, alle Probleme ließen sich allein mit der Hilfe Gottes
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