Letale Dosis
überhaupt christliche Anwandlungen hatte, zum andern, daß offensichtlich keiner hier davon gewußt hat. Ich habe ihn immer für einen überzeugten Atheisten gehalten. Aber so kann man sich täuschen. Nur eines kann ich Ihnen sagen, ein Heiliger war der ganz sicher nicht. Dazu war er zu machtbesessen. Sehen Sie sich doch nur den Namen der Firma an …«
»Rosenzweig & Partner?«
»Genau, Rosenzweig & Partner. Das Merkwürdige ist doch, daß Rosenzweig und Köhler zu je fünfzig Prozent am Unternehmen beteiligt sind, aber nur Rosenzweigs Name wird im Titel genannt.«
»Und was meint Köhler dazu?«
»Keine Ahnung. Die Firma existierte ja schon lange, bevor ich hier angefangen habe. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß er besonders glücklich darüber ist. Nur, es besteht eben ein Unterschied zwischen den beiden – Rosenzweig war ein knallharter Geschäftsmann, der, um es salopp auszudrücken, auch mal unkonventionelle Wege beschritten hat, um zu seinem Ziel zu gelangen, während Köhler zwar auch nicht ohne ist, aber mit seinen Geschäftspartnern und Kunden immer fair umgeht.«
Julia Durant nahm einen weiteren Zug an der Zigarette, bevor sie fragte: »Was meinen Sie mit unkonventionellen Wegen?«
Claudia Neumann holte tief Luft, setzte ein ernstes Gesicht auf.
»O ja, ich weiß, man soll das Andenken eines Toten nicht beschmutzen, und das habe ich auch nicht vor. Aber ich denke mir, wenn Rosenzweig mit andern in einer bisweilen ziemlich, sagen wir ›offenen‹ Weise umgehen konnte, dann kann ich mir diese Offenheit jetzt auch erlauben.« Sie zuckte die Schultern, fuhr fort: »Es gab bestimmte Dinge, bei denen er es mit dem Gesetz nicht so genau genommen hat. Aber das scheint in der heutigen Geschäftswelt Usus zu sein.«
»Er nahm es mit dem Gesetz nicht so genau? War er in irgendwelche kriminellen Machenschaften verwickelt?« fragte die Kommissarin neugierig.
»Nun, kriminelle Machenschaften würde ich es nicht nennen, aber es gab da so Geschichten mit der Steuer, wenn Sie verstehen. Vor knapp vier Jahren hatten wir ein Tief und haben rote Zahlen geschrieben. Es wurde sogar gemunkelt, daß die Firma unter Umständen Konkurs anmelden müßte. Rosenzweig hat es aber geschafft, aus rot wieder schwarz zu machen, indem er Gelder am Finanzamt vorbei ins Ausland transferiert hat. Ich glaube, nicht einmal Köhler wußte davon.«
»Und woher wissen Sie es?«
»In meiner Position bekommt man Einblicke in gewisse Dinge. Es werden bestimmte Schriftstücke aufgesetzt, Telefonate geführt, Transaktionen getätigt und so weiter. Er hat einige wichtige Sachen zwar allein gemacht, doch ich habe zufällig einmal ein Papier in die Hände bekommen, aus dem klar hervorging, daß ein sehr hoher Betrag auf ein Luxemburger Konto überwiesen wurde. Und ich denke, das war nicht das einzige Mal. Wenn Rosenzweig gewußt hätte, was ich alles wußte, er hätte mich vermutlich umgebracht.«
»Sie meinen wirklich, er hätte Sie umgebracht?« fragte Julia Durant zweifelnd und zog an ihrer Zigarette.
»Na ja, das ist vielleicht übertrieben, aber mit Sicherheit hätte er mich hochkant rausgeschmissen.«
»Aber Sie hätten ihn mit Ihrem Wissen doch auch erpressen können?«
»Ein anderer hätte es vielleicht gemacht, aber ich nicht. Ich zähle nicht zu den Mutigen dieser Welt.«
»Diese Luxemburger Transaktion war vor vier Jahren, sagen Sie. Und wie hoch war der Betrag?«
»2,2 Millionen.«
»Ein ganz schöner Batzen Geld. In welchem Bereich liegt denn der Umsatz der Firma im Jahr?«
»Kommt drauf an, aber so zwischen vierzig und fünfundvierzig Millionen. Wobei man nicht vergessen darf, daß der Mietpreis hier verdammt hoch ist.«
»Und wie ging es dann weiter?«
»Wie gesagt, wir haben ab da wieder schwarze Zahlen geschrieben und das Finanzamt hat es nicht gecheckt, obwohl wir vor zwei Jahren eine Buchprüfung hatten. Die Firma stand absolut sauber da. Ich weiß auch nicht, wie er das gemacht hat. Aber auf jeden Fall muß irgendwer die Bilanzen geschönt haben.«
Julia Durant drückte ihre Zigarette aus und zündete sich gleich eine neue an. Sie inhalierte, überlegte, sah dabei kurz zu der jungen Frau, die ihr gegenüber saß und ihren Blick erwiderte. Plötzlich fragte sie aus einem Gefühl heraus: »Sagen Sie, kennen Sie einen Walter Schönau?«
Wieder lächelte Claudia Neumann. »Natürlich. Die
Schönau Bank
ist unsere Hausbank. Wir haben zwar noch andere Konten, doch das meiste läuft über diese Bank. Warum
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