Letzte Ausfahrt Neckartal
und hielt für einen Moment die Luft an. Doch sosehr er sich anstrengte, es entstand kein Waschbrettbauch.
Ganz konnte Treidler sich Paschls Anziehungskraft nicht entziehen. Er hatte Charisma, eine ungewöhnliche Ausstrahlung und zog die Blicke auf sich wie ein Magnet. Ein Typ Mann, der fraglos Frauen und Männer gleichermaßen faszinierte – mit wenigen Ausnahmen. Auf Treidler wirkte Paschl wie ein hochnäsiger Gockel. Vielleicht lag es an der braun gebrannten Haut auf seinem Schädel, die im Neonlicht glänzte wie poliert. Weder auf der Kopfhaut noch im Gesicht hatte der Mann Haare. Es wirkte, als habe er die gesamte Haut oberhalb des Kehlkopfes mit einer Klinge abgeschabt und nur die Augenbrauen ausgenommen. Doch offenbar fand nur Treidler Paschl mit dem kantigen Gesicht und dem weit hervorstehenden Kinn unsympathisch. Die anderen Anwesenden – inklusive Melchior – schauten ihn an wie die Jünger Jesu, nachdem der von seinem Spaziergang über das Wasser zurückgekehrt war.
Treidler zwang sich zuzuhören.
»… dass sich kurz zuvor eine Prepaid-Karte des syrischen Providers ›Ya Hala‹ an einer Basisstation in der Nähe angemeldet hatte. Bisher verfügen wir über keinerlei Verbindungsdaten. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen gehen wir dennoch davon aus, dass das Gespräch mit dieser Karte geführt wurde.« Paschl ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten. »›Ya Hala‹ ist bei Terroristen im Nahen und Mittleren Osten äußerst beliebt. Die SIM -Karten können relativ einfach und ohne Identifikation im Internet besorgt werden. Also nochmals – wir haben es hier unzweifelhaft mit der Aktivität einer islamistischen Terrorzelle zu tun.«
Paschl legte sein Maßanzugjackett sorgfältig über die Stuhllehne und strich es glatt. Er trat näher an die Magnettafel heran, tippte mit dem Zeigerfinger ein paarmal auf eines der Blätter und erklärte mit einem Hauch von Dramatik in der Stimme: »Das hier ist der Ausdruck des Gespräches, das der BND aufgefangen hat. Darin unterhalten sich zwei gebrochen Deutsch sprechende Männer arabischer oder türkischer Herkunft. Unzweifelhaft ist von einem Terroranschlag die Rede. Ich zitiere die relevanten Stellen: ›Ich lasse diese Scheiß-Russen alle hochgehen. So wie die Tschetschenen im Moskauer Theater … Das macht die nächsten Tage einen richtig großen Knall … Scheiß-Russen, das ist Krieg.‹« Er nickte bedeutungsschwer. »Uns könnte ein Szenario wie bei der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater vor einigen Jahren drohen. Auch damals gab es kurz zuvor eine ähnliche Drohung. Beim BKA haben wir von beiden Stimmen einen Voiceprint erstellt. Diese werden im Moment in unseren Datenbanken gecheckt. Bald sollten wir wissen, welche Terrorzelle hierfür in Frage kommt.«
Borniertes Arschloch, dachte Treidler. Briefing, Voiceprint, Datenbanken checken – konnte der Typ überhaupt Deutsch?
Paschl blickte erneut in die Runde. »Wir vermuten allerdings, dass der Tote auf der Rastanlage nicht aus den vorderen Reihen der Terrorzelle stammte.« Er deutete ein Lächeln an. »Keiner aus dem operativen Geschäft sozusagen – we call them non-primary .«
Soso, non-primary. Treidler konnte Paschl nicht ausstehen. Das wusste er, noch bevor er ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Er versuchte, sich die komprimierte Ansammlung von Muskeln und Sehnen auf einer bayrischen Bergwiese vorzustellen: barfuß in Lederhosen, weißem Trachtenhemd und hellgrauem Filzhut inklusive Gamsbart. » And I call you , Geißenpeter«, murmelte er vor sich hin.
»Was?«, raunte Melchior ihm zu.
»Geißenpeter«, wiederholte Treidler etwas lauter. Während er aus den Augenwinkeln ihren tadelnden Blick sah, konnte er nur mit Mühe das Lachen unterdrücken. Schließlich sagte er so laut, dass es jeder im Raum hören konnte: »Dann ist unser Opfer also ein arabischer Pole mit blonden Rastalocken, der sich aus ideologischen Gründen ein paar Joints durchgezogen hat?«
Paschl musterte ihn. »Und Sie sind bestimmt der Klassenkasper. In jeder Gruppe gibt es einen davon. Und ich habe wohl das Glück, ihn an meinem ersten Tag kennenzulernen.«
Treidler verzichtete auf eine Antwort. Nicht aus Anstand, sondern um nicht zu provozieren. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Mann vom BKA nicht gewohnt war, mit Einwänden umzugehen.
»Das ist der bisherige Stand der Ermittlungen.« Paschl schaute kurz zur Magnettafel und nickte zufrieden.
»Klingt für mich nicht sehr
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