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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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etwas erwidern, da tippte ihm sein Anwalt beschwichtigend auf die Hand. Kowalski wischte den Arm weg und sagte ein paar polnische Worte. Er warf Treidler einen grimmigen Blick zu. »Wissen Sie was? Ich mache mit meinem Job in einem Monat so viel wie Sie in einem Jahr.« Er schnippte mit den Fingern, wohl, um seine Aussage zu verstärken.
    »Das scheint Ihnen ja verdammt wichtig zu sein.« Treidler konnte nur noch den Kopf schütteln.
    »Was?«
    »Dass Sie so viel verdienen.«
    »Ihnen etwa nicht?«
    »Mir würden ein paar wichtigere Dinge einfallen«, gab Treidler zurück.
    Kowalski zuckte mit den Schultern und senkte den Kopf.
    »Also was ist jetzt?«, fragte Treidler. »Wollen Sie mit uns zusammenarbeiten oder sich daran erfreuen, dass Sie mehr verdienen als wir?« Er hatte seine Stimme so weit angehoben, dass sie in dem großen Raum nachhallte.
    Alle Blicke waren auf Kowalski gerichtet, der weiterhin auf die Tischplatte starrte. Niemand sagte etwas, und Treidler konnte die Atemgeräusche der Anwesenden hören.
    »Im Grunde war es meine Idee«, begann Kowalski nach einer Weile leise. »Ohne mich hätte dieser Typ nichts hinbekommen«, fuhr er dann lauter fort. »Überhaupt nichts – da bin ich mir sicher.« Er nickte ein paar Mal vor sich hin, und einige der Rastalocken fielen ihm in die Stirn. »Es war mehr als angemessen, dass ich ein größeres Stück vom Kuchen abbekomme.«
    »Verstehe ich das richtig? Sie haben diesen … diesen Iceman erpresst?«, fragte Treidler.
    Kowalski hob den Kopf und wischte die Locken beiseite. Er schaute in die Runde und schien erst jetzt zu bemerken, dass alle ihn anstarrten und auf seine Antwort warten. »Kann man so sagen«, gab er schließlich zurück.
    Gaska und Kowalskis Anwalt sahen sich an.
    Auch Treidler wechselte einen Blick mit Melchior. »Und mit was?« Es konnte nur mit dem USB -Stick zu tun haben.
    »Mit etwas, das er noch von mir braucht.«
    »Geht das ein wenig präziser?«
    »Zwei- oder dreihundert Zeilen Quellcode für ein Programm, das ich für ihn geschrieben habe.«
    Melchior räusperte sich. »Ein Programm, das die monatlichen Abrechnungsläufe von Banken manipuliert, um ein paar Cent Gebühren auf andere Konten umzubuchen? Meinen Sie diese Art von Programm?«
    Kowalski straffte den Rücken und sah sie an. Zum ersten Mal zeigte sich in seinem Gesicht so etwas wie Verwunderung. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Wir haben das Programm auf dem USB -Stick an Ihrem Schlüsselanhänger gefunden.«
    Kowalski bearbeitete eine Weile seine Unterlippe mit den Schneidezähnen. »Iceman hat bisher von mir nur das Programm selbst, den Maschinencode, erhalten. Es funktioniert zwar, aber für jede noch so kleine Änderung braucht er den Quellcode. Oder er muss das ganze Programm von jemand anderem neu schreiben lassen.«
    »Wie viel wollten Sie dafür?« Melchior sah Kowalski direkt in die Augen.
    »Eine Million.«
    Gaska reckte den Hals, während sich der Anwalt so weit unter Kontrolle hatte, dass nur seine Mundwinkeln leicht zuckten.
    »Was – Zloty oder Euro?«, fragte Gaska.
    »Euro.«
    Treidler stieß einen leisen Pfiff aus. »Eine Menge Geld für ein paar hundert Zeilen.«
    »Wenn man das Hundertfache damit machen kann, relativiert sich der Betrag ziemlich schnell.« Kowalski versuchte sich mit einem Lächeln.
    »Sie haben von diesem Iceman also eine Million Euro für den Quellcode Ihres Programms gefordert. Hat er sich denn einfach so auf Ihre Forderung eingelassen?«, fragte Melchior weiter.
    »Ja, eigentlich schon.« Kowalski sank etwas in sich zusammen. »Einen Tag später hat er mir die Rastanlage in Süddeutschland als Übergabeort und den Zeitpunkt genannt: Sonntagnacht, zwölf Uhr.«
    »Und Sie haben keinen Verdacht geschöpft?« Treidler schüttelte den Kopf ob so viel Arglosigkeit.
    »Zuerst schon …« Kowalski zuckte mit den Schultern.
    »Aber dann«, Treidler schaffte es nicht, den Zynismus aus seiner Stimme zu verbannen, »haben Sie schon die Scheine in Ihren Händen knistern hören.«
    Kowalski antwortete nicht. Die blonden Rastalocken, die er mit seinem Vetter gemeinsam hatte, hingen ihm wirr ins Gesicht. Es sah aus, als wolle er sich dahinter verstecken. Gleichwohl verriet seine Miene mehr, als er hätte sagen können. Da waren Verwirrung, Wut und Trauer, jedoch vor allem eines zu sehen: die Schuld am Tod von Adam Lewandowski.
    »Was wissen Sie sonst noch über diesen Iceman?«
    »Nichts, überhaupt nichts. Wir haben die ganze Zeit nur per E-Mail

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