Letzte Ausfahrt Neckartal
nächsten Seiten bestanden aus Berichten über Markovics Einsätze in der Balkanregion: gezielte Tötung, Entführung, Dokumentendiebstahl, von allem etwas. Alleine der erste Bericht würde ausreichen, Markovic für immer hinter Gitter zu bringen.
»Da ist nicht viel Neues dabei.« Melchior klang enttäuscht. »Edgar hat uns schon das meiste erzählt. Haben Sie denn was Interessantes gefunden?«
Treidler schaute auf. »Ich bin noch lange nicht durch. Aber vielleicht vorab«, er suchte nach dem Lebenslauf, »Goran Markovic ist am 14. April 1958 in Belgrad geboren, kein Schulabschluss. Mit vierzehn riss er von zu Hause aus und schloss sich einem Dorfzirkus an. Als Hochseilartist schaffte er es bis in den jugoslawischen Staatszirkus. Ein Unfall beendete 1990 seine Karriere, und damit verlor sich auch seine Spur.«
»Und wann ist er wieder aufgetaucht?«
»Der nächste Eintrag stammt aus 1994. Im Bosnienkrieg war er Mitglied der Milizeinheit Pivarski . Und diese Karriere scheint er weiterverfolgt zu haben.«
Melchior horchte auf. »Wie meinen Sie das?«
»1999 im Kosovokrieg war er bereits Kommandeur einer Abteilung der Šakali . Das ist ebenfalls eine serbische Milizeinheit. Aber das Interessante ist«, Treidler blätterte weiter zu den Einsatzberichten, »Markovic hat nicht nur für die Serben gearbeitet.«
»Ach so. Das hat Edgar ja auch schon gesagt«, gab sie zurück. »Steht da auch für wen?«
»Klar.« Treidler nickte. »Hier drin gibt es Berichte, die belegen, dass er während des Kosovokrieges auch für einen amerikanischen Nachrichtendienst arbeitete.« Nichts davon war für seine Augen bestimmt.
»Welchen?«
»Das geht nicht daraus hervor. Aber die Berichte wurden alle von einem KOK Rap verfasst. Rap mit einem › P ‹. Kennen Sie den Mann vielleicht?«
Melchior hob die Brauen. »Beim BKA arbeiten mehr als fünftausend Leute. Wieso sollte ich genau den kennen?«
»Sie kennen doch so einige in Wiesbaden.« Verdammt, hatte sich das schon wieder zu spöttisch angehört?
»Lassen Sie die ironischen Bemerkungen, Treidler. Ich bin heute wirklich nicht in der Stimmung dafür.« Ein verärgerter Ausdruck zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Sagen Sie mir lieber, was dadrinnen sonst noch alles zu seinen Aufträgen steht.«
»Unter anderem sollte er für die Amerikaner einen gewissen Sulejman Thaçi aufspüren.« Besser er kam gleich wieder auf die Fakten zurück.
»Wer soll das sein?«
»Sulejman Thaçi wurde als Al-Kaida-Mitglied gesucht. Er muss damals wohl eine Art lokaler Kommandant der UÇK gewesen sein. Markovic hat ihn übrigens gefunden und den Amerikanern übergeben.«
»Und das steht alles in der Akte?«
»Da steht noch viel mehr, was dem BKA so gar nicht passen dürfte, wenn es publik wird.« Er hielt brisantes Material in den Händen – verdammt brisant.
»Zum Beispiel?«
»Dass dieser Sulejman Thaçi von den Amerikanern nach Sarajevo verschleppt wurde. Ohne Anklage und mit Kenntnis des BKA . Die Amerikaner baten sogar um Amtshilfe, weil bei ihm Dokumente mit Bezug zu Deutschland gefunden wurden. Die Deutschen sollten bei der Übersetzung helfen. Als Gegenleistung boten die Amerikaner ein Verhör des Gefangenen und Kopien der beschlagnahmten Dokumente an, die sie für eigene Ermittlungen verwenden durften.«
Melchior reckte den Kopf. »Wie haben die deutschen Behörden reagiert?«
» BND und BKA haben Beamte sowie einen Albanisch-Übersetzer nach Sarajevo gesandt. Den Akten entnehme ich, dass die Führungsstellen beim BKA zu diesem Zeitpunkt bereits über diesen Einsatz Bescheid wussten.«
»Dass das BKA bei einer illegalen Verschleppung des CIA Amtshilfe geleistet haben soll, ist ziemlich starker Tobak.« Melchior schüttelte den Kopf.
»Es kommt noch schlimmer: In Sarajevo übergaben die Amerikaner den Deutschen mehrere hundert Seiten Verhörprotokolle. Laut den damals Beteiligten waren viele davon blutverschmiert.«
»Folter?«
»Die Amerikaner gaben unumwunden zu, dass der Gefangene Widerstand geleistet habe und daraufhin geschlagen worden sei. Sogar eine Platzwunde am Kopf musste genäht werden.« Treidler blätterte noch einmal in der Akte. »Es gibt hier noch einige andere Hinweise auf Misshandlungen: Schlafentzug, Waterboarding, das ganze verfluchte Programm.« Er schaffte es nicht, den bitteren Unterton aus seiner Stimme herauszuhalten.
»Mit Wissen des BKA ?«
Treidler nickte. »Es steht ja in der Akte. Und die stammt aus dem Besitz des BKA .« Dieser Vorfall in
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