Letzte Ausfahrt Neckartal
Sarajevo sah verdammt nach unterlassener Hilfeleistung und Beihilfe zur Folter aus.
»Für mich ist es unvorstellbar, dass das BKA in irgendeiner Form in die Verschleppung dieses Sulejman Thaçi verwickelt sein könnte.«
»An das Gefühl, dass das BKA anders funktioniert, als Sie bisher dachten, werden Sie sich wohl gewöhnen müssen.« Auch Paschl verhielt sich schließlich anders, als sie es erwartet hatte.
»War er wirklich ein Mitglied der Al Kaida?«, fragte Melchior leise und schien durch ihn hindurchzuschauen.
Treidler zuckte mit den Schultern. »Warum Thaçi damals ins Visier der Amerikaner geriet, ist mir bisher unklar. In den Unterlagen findet sich lediglich der Hinweis, dass eine Verwechslung mit einem Topmitglied von Al Kaida vorliegen könnte.«
»Wo ist dieser Sulejman Thaçi jetzt?«
»Keine Ahnung. Aber ich bin noch nicht ganz mit der Akte durch.« Treidler war sich sicher, dass dieser Thaçi nur eine Nebenrolle spielte, die im Moment nicht interessierte. Im Gegensatz zu Paschl. Obwohl sein Name in der Akte nicht auftauchte, spürte Treidler, dass der Mann vom BKA etwas mit Markovic zu tun hatte. Verdammt, er hätte Edgar nach ihm fragen sollen.
»Falls die Berichte den Tatsachen entsprechen«, sagte Melchior, »halten wir etwas in den Händen, das das BKA unter allen Umständen zurückhaben will.«
Treidler lachte auf. »Nicht nur das BKA wird daran interessiert sein. Diese Berichte lagen auch den Kontrollgremien der deutschen Sicherheitsbehörden vor. Dort sitzen Vertreter des Innenministeriums, des Kanzleramts, des Auswärtigen Amtes und wer weiß ich noch alles.«
Melchior stieß einen leisen Pfiff aus.
»Was hat Edgar gesagt? Es würde ihn nicht wundern, wenn uns das BKA jemanden vor die Nase setzt, um die Ermittlungen in die gewünschte Richtung zu lenken. Was ist, wenn sie das schon getan haben?« Sollte er ihr tatsächlich von seinem Verdacht gegen Paschl erzählen? Würde sie ihm überhaupt zuhören?
Melchior beugte sich nach vorne und sagte leise: »Und ich weiß genau, an wen Sie denken. Dann werde ich uns jetzt bei Petersen ankündigen. Mal schauen, was passiert.«
23
Wie schon am Tag zuvor lehnte Paschl an Petersens Sideboard und verfolgte mit zusammengekniffenen Lippen Melchiors Bericht über die Ereignisse. Sie erzählte in knappen Sätzen von ihrem Treffen in der Villa Duttenhofer und den Anschlägen auf sie und den Informanten. Den Namen und die Tatsache, dass sie neben Markovics Bild auch im Besitz seiner Akte waren, erwähnte sie nicht.
Noch bevor sie geendet hatte, lächelte Paschl Treidler und Melchior zu, als wolle er eine Charmeoffensive starten. Die Arroganz der Vortage war gänzlich verflogen. Entweder sah Paschl nach dem Bericht tatsächlich ein, dass seine Ermittlungen in die völlig falsche Richtung führten, oder er gehörte zu jenen perfekten Schauspielern, die verräterische Gefühle einfach unterdrücken konnten.
»Und Kowalski hat diesen …?«, fragte Petersen nach.
»Goran Markovic«, antwortete Treidler.
»Goran Markovic – ja. Er hat ihn also zweifelsfrei identifiziert?«
»Ja, Herr Kriminalrat.« Melchior nickte vehement. »Ich habe ihm das Bild per E-Mail zukommenden lassen. Er hat den Mörder seines Vetters sofort erkannt. Kowalski wird dies heute noch im Polizeipräsidium von Kattowitz zu Protokoll geben. Dann haben Sie seine Aussage auch schriftlich.«
»Gute Arbeit«, sagte Paschl. »Das muss ich unumwunden zugeben. Diese Wendung hätte ich nicht für möglich gehalten. Ihre Suspendierung ist natürlich damit hinfällig.«
»Die Fahndung ist ja bereits seit gestern draußen. Nicht wahr, Herr Paschl?« Petersen blickte Paschl fragend an.
»Klar«, entgegnete der. »Aber jetzt können wir mit einem richtigen Bild aufwarten. Das steigert die Erfolgsaussichten weiter.«
Petersen nickte.
»Wir befinden uns gerade in einem kritischen Stadium der Ermittlungen und dürfen uns keine Fehler erlauben.« Paschl lächelte bereits wieder.
Treidler konnte nicht entscheiden, was ihm mehr auf die Nerven ging: das anbiedernde Grinsen Paschls oder sein arrogantes Auftreten der letzten Tage. »Das gilt im Besonderen für Sie.« Diesen Kommentar hatte er sich nicht verkneifen können.
Paschl ließ sich nicht aus der Reserve locken. Lediglich seine Augenbrauen wanderten etwas nach oben.
»Uns liegt ein Dossier über Markovic vor«, fuhr Treidler fort. »Es ist die Einschätzung unseres Informanten …«
»Schauen Sie«, unterbrach Paschl. »Es
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